Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 3995967 times)

BB153

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3690 am: 26.01.2023 08:54 »
Hallo,

Kinder werden in der Mehrzahl in Familien mit nicht verbeamteten Elternteile groß. Von daher sind großzügige Familienzuschläge für verbeamtete Eltern keine Familienförderung, sondern tatsächlich ein untauglich Mittel, Geld zu sparen.  Dieser Sparansatz führt zu erheblichen Verwerfungen sowohl im Vergleich zu Familien ohne verbeamtete Elternteile als auch im Vergleich zu kinderlose Beamten, da die Besoldungshöhe dann nicht mehr essentiell  vom Amt abhängt. Das ist eine Abkehr vom Leistungsprinzip.

Ich erkenne sehr wohl den Bedarf nach Familienförderung, dann aber bitte für alle Familien!

Ja und Nein!

Ja: Muss ich das wirklich erläutern? Natürlich sollen alle Familien gleichermaßen durch den Staat entlastet werden. Mit qualitativ hochwertigen Betreuungsplätzen versorgt etc.

Nein: Vor einigen Wochen wurde bei uns in der Region mal eine Umfrage bei verschiedenen Arbeitgebern getätigt, Großunternehmen und Mittelständlern, wie sie Familien unterstützen. Da gab es dann Antworten wie Sonderzahlung zur Geburt, Stundenreduzierung bei Lohnausgleich, Übernahme Betreuungskosten, Betriebskita, Extraurlaub, Gleitzeit etc.

Antwort der 2 befragten Behörden: Gleitzeit und Home-Office.
Zur Vollständigkeit: Mein Dienstherr hat darüber hinaus einen Vertrag mit der AWO. Die Organisieren einem im Notfall eine (den Kindern komplett unbekannte) Betreuungskraft und helfen auch bei der Suche nach einem Betreuungsplatz. Die Kosten der Organisation werden seitens des AG getragen.
Die Betreuungskosten trägt man selber. (15-20 Euro die Stunde).
ICH gebe meine Kinder keiner wildfremden Person, egal welche Qualifikationen die haben mag. MEINE Kinder würden das auch gar nicht mitmachen.

In sofern... ich nehme mit: Gleitzeit und Home-Office.
Die restliche Familienfreundlichkeit, insbesondere auch die Umsetzung z.B. der Gleitzeit hängt maßgeblich vom direkten Vorgesetzen ab. Man kann Glück haben (Vorgesetzter mit Familie in die er/sie eingebunden ist) oder Pech haben (Vorgesetzter ist Alleinstehend und karrierefixiert, hat einen Partner der ihm/ihr den Rücken zu 100% freihält).

Deutschland ist kinderfeindlich.

Man könnte meinen der Staat habe ein Interesse daran das durch alle Gesellschaftsschichten hindurch zu ändern. Falls ja, muss er mit gutem Beispiel voran gehen und Vorbild sein.
Aktuell tut er das m.E. nicht, in keinem Bereich.

Julianx1

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3691 am: 26.01.2023 09:40 »
Hallo,

also manchmal verstehe ich die Diskussion hier nicht. Natürlich muss die Grundbesoldung erhöht werden. Und natürlich müssen auch kinderreiche Beamte entsprechend ihrer Kosten angemessen besoldet werden. Der Anteil des Familienzuschlages unterliegt eben nicht dem Leistungsprinzip. Und ob Kinder in einer Laufbahn hinderlich sind will ich gar nicht beurteilen, und kann es auch nicht. Ich finde den Weg, den NRW gegangen ist gut! Es hilft den Beamten ungemein. Ich habe 7 Kids. Vier eigene und drei in Patchwork. Ich fahr nen Bus. Ich habe ne Tabelle damit ich noch nen Überblick habe über Vereinsbeiträge, OGS, Essensgeld, Kitabeiträge, Taschengeld, Klamotten, etc. Ich heize nen Haus was etwas größer ist als die übliche Single-h.D. Wohnung in der Großstadt. Aber dennoch sage ich jedem Beamten eine höhere Grundbesoldung zu. Etwaige Prozentberechnungen hier, deren Zahlen völlig aus der Luft gegriffen sind lassen die Vergleiche hier nur als Zahlenbumserei aussehen. Ich freue mich für die Kollegen in NRW riesig, statt hier die Neiddebatte zu führen. Vielleicht können sie jetzt auch mal in den Urlaub fahren (in der Hauptsaison wegen Ferien) wenn gleichzeitig ein oder zwei Klassenfahrten bei den Sprösslingen im gleichen Jahr anliegen. Vielleicht braucht der eine oder andere jetzt kein Wohngeld mehr. in diesem Sinne haltet zusammen statt so einen Schrott zu verbreiten.

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3692 am: 26.01.2023 10:27 »
Deutschland ist kinderfeindlich.

Man könnte meinen der Staat habe ein Interesse daran das durch alle Gesellschaftsschichten hindurch zu ändern. Falls ja, muss er mit gutem Beispiel voran gehen und Vorbild sein.
Aktuell tut er das m.E. nicht, in keinem Bereich.

- Kindergeld / Kinderfreibeträge
- 14 Monate Elternzeit
- Kostenlose Bildung inkl Ganztagsbetreuung ab dem ersten Geburtstag bis zum Studienabschluss

sind Punkte, um die uns viele Ausländer beneiden und die genau das Gegenteil von Kinderfeindlichkeit zeichnen.

yamato

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3693 am: 26.01.2023 10:37 »
Weiterhin

-Unterhaltsvorschuss für Alleinerziehende, wenn sie sich Kinder vom falschen Partner machen lassen haben
-Kinderzuschlag für Einkommensschwache
-BUT für Leistungsbezieher und Einkommensschwache

Welches andere Land ist bitte Kinderfreundlicher

Blablublu

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3694 am: 26.01.2023 10:42 »
Kostenlose Betreuung ab dem 1. Geburtstag, hängt aber sehr vom Bundesland ab. Bei mir ist das Kindergeld für die Betreuung weg. Kinderfreibetrag wird mit dem Kindergeld verrechnet. Aber wenn wir schonmal da sind wofür uns das Ausland beneidet, so gehört da auch unser Sicherungssystem dazu, wonach alle Alten versorgt werden, unabhängig davon ob sie Kinder haben oder nicht. Dies ist in vielen Ländern der Erde anders.
« Last Edit: 26.01.2023 10:52 von Blablublu »

Blablublu

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3695 am: 26.01.2023 10:56 »
Trotzdem habe ich nichts dagegen sämtliche Familienzuschläge abzuschaffen und in die Grundbesoldung zu integrieren und diese dann auf ein verfassungsgemäßes Niveau anzuheben. Hat für mich den Vorteil das meine Pension sich entsprechend erhöht. Nur wird dies wohl kaum passieren. Zumindestens nicht im jetzigen Entwurf.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3696 am: 26.01.2023 11:03 »
Liebe Kollegen, ich verstehe hier weiterhin die Diskussion der letzten Tage nicht, da sie sowohl (1.) rechtlich als auch 2.b) monetär wenig Sinn ergibt, woraus (3.) ein Ergebnis gezogen werden kann.

1. Es ist sowohl durch das Prüfkriterium der Mindestbesoldung eindeutig geklärt, dass alle 17 Besoldungsordnungen so stark verletzt sind, dass es in allen 17 Rechtskreisen zwangsläufig zu deutlich höheren Grundbesoldungen kommen muss. Das mag einem schmecken oder nicht - aber so ist die Rechtsprechung des Bundesverfasungsgerichts zu interpretieren. Und daran gibt es rechtlich nichts zu deuteln, jedenfalls hat noch keiner in den letzten zwei Jahren sachlich etwas anderes begründen können. Wer es genauer wissen möchte, sollte das lesen, was in der ZBR im letzen Mai geschrieben worden ist oder die letzte Entscheidung des VGH Hessen oder die Stellungnahme Ulrich Battis' im aktuellen sächsischen Gesetzgebungsverfahren oder die Stellungnahmen des BRV im aktuellen bayerischen Gesetzgebungsverfahren usw. usf.

2. Wenn man von der Mindestalimentation ausgeht - was juristisch zweifelhaft ist, aber derzeit der fragliche Standard in den Gesetzgebungsverfahren der letzten zwei Jahre -, dann erhält man am Ende einen Nettowert der Alimentation, der - da vom absoluten Alimentationsschutz umfasst - nicht unterschritten werden darf. Sofern der Dienstherr diesen Wert als amtsangemessen ermitteln könnte und wir diesen Wert mit der Summe 3.009,47 € bemessen (der realitätsgerechten Mindestalimentation in Thüringen im Jahr 2020, vgl. den bekannten DÖV-Beitrag aus dem letzten Jahr, dort die S. 208), dann ist es für eine vierköpfige Familien monetär gänzlich unerheblich, ob am Ende das Grundgehalt mit 3.009,47 € und die Familienzuschläge mit 0 € bemessen werden oder das Grundgehalt mit 0 € und die Familienzuschläge mit 3.009,47 € oder das Grundgehalt mit 2.009,47 € und die Familienzuschläge mit 1.000,- € usw. usf. Rechtlich allerdings - s. die Ziff. 1 - ist es das nicht.

3. Als Ergebnis lässt sich entsprechend feststellen:

a) Die Grundbesoldung muss in allen 17 Rechtskreisen deutlich erhöht werden, da anders das Leistungsprinzip nicht gewährleistet werden kann.

b) Die Bemessung der hinreichenden Besoldung unterliegt am Ende immer einer sachgerechten Begründung. Diese muss es spätestens seit zwei Tagen ebenfalls sachlich begründen, wenn sie als Folge von einschneidenden Veränderungen der Verhältnisse eine deutliche Anhebung der familienbezogenen Besoldungskomponenten vornehmen will (vgl. meine Darlegungen und Interpretation der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 2 BvF 2/18 im Länderforum vom gestrigen Tage). Die deutliche Anhebung der familienbezogenen Besoldungskomponenten wäre dann anhand eines sachlichen Grundes zu begründen.

c) Da es zur sachgerechten Wiederherstellung des Leistungsprinzips einer deutlichen Anhebung der Grundgehaltssätze bedarf, wäre eine deutliche Anhebung der familienbezogenen Besoldungskomponenten unabhängig von den Grundgehaltssätzen zu betrachten, da die Wiederherstellung des Leistungsprinzips diesbezüglich keine einschneidende Veränderung der Verhältnisse darstellt. Denn das Leistungsprinzip steht zwar mit dem Alimentationsprinzip in einem engen Verhältnis. Jedoch ist die Anzahl der Kinder verfassungsrechtlich innerhalb des Alimentationsprinzips nach Art. 33 Abs. 5 GG mit zu berücksichtigen, nicht jedoch als Folge des Leistungsprinzips aus Art. 33 Abs. 2 GG, das wiederum vom Dienstherrn zu beachten ist.

d) Sofern der Gesetzgeber also die zwangsläufig nötige Anhebung der Grundgehaltssätze bis mindestens zu einer solchen Höhe vornehmen würde, dass am Ende dem Leistungsprinzip wieder Genüge getan und das Alimentationsprinzip nicht mehr verletzt wäre, dürfte er ebenfalls eine moderate Erhöhung der familienbezogenen Besoldungsbestandteile vornehmen - jedoch nur im Rahmen dessen, was Art. 3 Abs. 1 GG erlaubt. Kinder von Beamten können insbesondere wegen des und im Sonderrechtsverhältnis(ses), dem der Beamte unterliegt, höchstwahrscheinlich bis zu einem gewissen Grad besser gestellt werden als die anderen Kinder - aber auch das nur in einem rechtfertigungsfähigen sachlichen Rahmen. Denn das Beamtenrecht ist kein Surrogat der Sozialpolitik. Sofern also sozialpolitisch eine einschneidende Veränderung der Verhältnisse festzustellen wäre, wäre das Beamtenrecht der falsche Weg, diese einschneidende Veränderung heilen zu wollen - denn dann wären eben nicht nur Beamte mit Kindern, sondern alle Familien von der Veränderung betroffen; denn das wäre die Folge ihres einschneidenden Charakters: Entweder sind einschneidende Veränderungen gegeben, dann sind alle Familien davon betroffen; oder es sind nur die Beamtenfamilien betroffen (wie das auch immer aussehen sollte), dann könnte aber nicht von einer einschneidenden Veränderung ausgegangen werden können. Die familienbezogenen Besoldungskomponenten sind kein sachliches Mittel zur Widerherstellung des Leistungsprinzips im Besoldungsrecht. In diesem Sinne ist es zu verstehen, dass das Beamtenrecht kein Surrogat der Sozialpolitik ist.

So stellt sich offensichtlich die Rechtslage dar - und um nicht missverstanden zu werden: Als jemand, der viel Zeit in seinen Leben mit recht vielen Kindern und Jugendlichen verbracht hat, von denen viele in monetär nicht gesegneten Verhältnissen aufgewachsen sind, halte ich eine das Wohl von Kinder und Jugendlichen fest im Blick nehmende oder behaltende Sozial- und Familienpolitik für nicht verhandelbar, sondern für dringend notwendig. Aber nur, weil die Dienstherrn mit dem eigentlichen Ziel, sachwidrig immense Personalkosten sparen zu wollen, mit einem Mal vorgeben, ein Herz für Beamtenfamilien entdeckt zu haben, kann ich dieses letztere Ansinnen für nicht richtig erachten - und zwar nicht, weil ich es nicht gut oder schön fände - es also unter einer moralischen und ästhetischen Betrachtung anschauen könnte -, sondern weil dieses Ansinnen rechtswidrig ist, da es sich innerhalb unserer Verfassung nicht rechtfertigen lässt.

Sobald die Dienstherrn zu einer wieder sachgerechten Betrachtung des Leistungsprinzips zurückkehren, werden sämtliche Beamtenfamilien mit Kindern im Sinne dessen, was ich oben unter der Ziff. 2 gesagt habe, ebenfalls wieder monetär deutlich besser gestellt werden - denn das wäre die Folge des Alimentationsprinzips in seinem Zusammenhang mit dem Leistungsprinzip. Entsprechend sind die sachlichen Probleme innerhalb unserer Rechtsordnung zu lösen und zu lösen heißt: sachlich zu lösen - denn das ist die Grundlage und Folge unserer verfassungsmäßigen Ordnung.

PolareuD

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3697 am: 26.01.2023 11:09 »

- Kostenlose Bildung inkl Ganztagsbetreuung ab dem ersten Geburtstag bis zum Studienabschluss

[/quote

Das hängt massiv vom Bundesland ab. In Bayern fallen gerne mal 500 EUR monatlich für die Kinderbetreuung (Ganztagsplatz) an und das pro Kind. Einen Geschwisternachlass gibt es da nicht.

Finanzer

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3698 am: 26.01.2023 11:12 »
Danke Swen. Das sollte die Diskussion entweder beenden oder zumindest wieder auf ein gewisses Niveau erheben.

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3699 am: 26.01.2023 11:18 »
Kostenlose Betreuung ab dem 1. Geburtstag, hängt aber sehr vom Bundesland ab. Bei mir ist das Kindergeld für die Betreuung weg. Kinderfreibetrag wird mit dem Kindergeld verrechnet. Aber wenn wir schonmal da sind wofür uns das Ausland beneidet, so gehört da auch unser Sicherungssystem dazu, wonach alle Alten versorgt werden, unabhängig davon ob sie Kinder haben oder nicht. Dies ist in vielen Ländern der Erde anders.

... Augen auf bei der Wahl des Bundeslandes ;) Im Übrigen werden da die Kita-Kosten auch einkommensabhängig erhoben und sind - auch bei 500,-- € - nur ein Bruchteil der tatsächlichen Kosten.

Ansonsten werden die Alten entsprechend ihrer eingezahlten Beiträge versorgt. Und für jedes Kind erhält man eine Rentenerhöhung geschenkt, für die der Kinderlose 115.000,-- € hätte verdienen müssen.

nicht zu vergessen, dass Beamte mit Kindern Zeitgutschriften in Summe von gut 5 Urlaubstagen erhalten.

PolareuD

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3700 am: 26.01.2023 11:37 »
....

Danke Swen für deine, wie immer, sachlichen und informativen Ausführungen!


Aus meiner Sicht führt kein Weg vorbei an die (Wieder-)Einführung von Ortszuschlägen.

lotsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3701 am: 26.01.2023 11:52 »
Vielleicht helfen die Leitsätze des BVerfG zur Versachlichung:

Leitsätze

zum Beschluss des Zweiten Senats vom 4. Mai 2020

- 2 BvL 6/17 u.a. -

Der Dienstherr ist aufgrund des Alimentationsprinzips (Art. 33 Abs. 5 GG) verpflichtet, seinen Richtern und Beamten sowie ihren Familien einen amtsangemessenen Lebensunterhalt zu gewähren. Deshalb kann bei der Beurteilung und Regelung dessen, was eine amtsangemessene Besoldung ausmacht, die Anzahl der Kinder nicht ohne Bedeutung sein. Sind die Grundgehaltssätze so bemessen, dass sie zusammen mit den Familienzuschlägen bei zwei Kindern amtsangemessen sind, darf Richtern und Beamten nicht zugemutet werden, für den Unterhalt weiterer Kinder auf die familien-neutralen Bestandteile ihres Gehalts zurückzugreifen.
Der Besoldungsgesetzgeber darf bei der Bemessung des zusätzlichen Bedarfs, der für das dritte und jedes weitere Kind entsteht, von den Leistungen der sozialen Grundsicherung ausgehen, muss dabei aber beachten, dass die Alimentation etwas qualitativ Anderes ist als die Befriedigung eines äußersten Mindestbedarfs. Ein um 15 % über dem realitätsgerecht ermittelten grundsicherungsrechtlichen Gesamtbedarf eines Kindes liegender Betrag lässt diesen Unterschied hinreichend deutlich werden (Bestätigung von BVerfGE 44, 249; 81, 363; 99, 300).

lotsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3702 am: 26.01.2023 12:01 »
Und noch ein Leitsatz von 1990:

BVerfG, Beschluss vom 22.03.1990 - 2 BvL 1/86
Titel
Beamtenbaby
Fundstelle
openJur 2011, 118400
Rkr:   
1. a) Art. 33 Abs. 5 GG, der auch im Zusammenhang mit Art. 6 GG und dem Sozialstaatsprinzip der Verfassung auszulegen ist, verlangt, daß in der Lebenswirklichkeit die Beamten sich für ihre Familie ohne Rücksicht auf deren Größe "annähernd das gleiche leisten" können (Bestätigung von BVerfGE 44, 249).

b) Der Besoldungsgesetzgeber hat dafür Sorge zu tragen, daß der Beamte mit mehreren Kindern neben den Grundbedürfnissen seiner Familie das Minimum an "Lebenskomfort" befriedigen kann, das sich unter den wirtschaftlichen Bedingungen der Gegenwart als angemessen herausgebildet hat. Allerdings wird er dies bei zunehmender Vergrößerung seiner Familie nur auf bescheidenere Art und Weise verwirklichen können.

Hummel2805

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3703 am: 26.01.2023 12:26 »
Also Theorie hin oder her, die Praxis ist eindeutig. Ich zähle ja laut Frau Faeser mit A 10 schon zu den Besserverdienenden, jedenfalls ist meine Besoldungsgruppe nicht mehr einstellig. Hier mal die nur die Betreuungskosten für unsere 3 Kindern in einem seit Jahren SPD geführten Bundesland:

1. Kind - 7 Jahre - Schule
Hortgebühren p.M. 80,00 €
Schulessen p.M. 60,00 €

2. Kind - 4 Jahre - Kita
Kitagebühren p.M. 250,00 €
Essengeld p.M. 100,00 €

3. Kind - 2 Jahre - Kita
Kitagebühren p.M. 230,00 €
Essengeld p.M. 100,00 €

Also wir zahlen für alle 3 Kinder im Monat an Betreuung + Essengeld insgesamt 820 €, der Bund zahlt mir einen Familienzuschlag verheirtatet 826,00 €.

Und wisst Ihr was der Wahnsinn ist, dass rosarote SPD geführte Berlin unter unserer Franziska berechnet gar keine Kitabeiträge mehr, dort ist das Essengeld monatlich gedeckelt auf 20 € pro Kind. Schulessen ist frei!
Also in Berlin würden wir Betreuungskosten für alle 3 Kinder von 40,00 € im Monat zahlen, und das geile ist, dass das Land Berlin in der Konstalltion einen Familienzuschlag von über 1200 € im Monat.

Und deshalb ist die Stimmung in diesem zu tollem Deutschland so schlecht, weil nicht nur bei diesem Thema die Menschen reiheweise "verarscht" werden!

 

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #3704 am: 26.01.2023 13:12 »
Gern geschehen, Finanzer und PolareuD.

Auch aus den berechtigt von lotsch eingestellten Leitsätzen wird eines deutlich: Die Zahl der Kinder ist hinsichtlich der  verfassungsrechtliche Gestaltungsdirektive des Art. 33 Abs. 5 GG zu berücksichtigen - und spätestens ab dem dritten Kind zu beachten (das Stichwort ist hier der "alimentative Mehrbedarf" ab dem dritten Kind; dieser Strang des Alimentationsprinzips ist gesondert zu betrachten). Sowohl das Leistungs- als auch das Alimentationsprinzip sind als besonders wesentliche Grundsätze des Berufsbeamtentums vom Gesetzgeber zu beachten.

Das Alimentationsprinzip verpflichtet den Dienstherrn, Richter und Staatsanwälte sowie ihre Familien lebenslang angemessen zu alimentieren und ihnen nach ihrem Dienstrang, nach der mit ihrem Amt verbundenen Verantwortung und nach der Bedeutung der rechtsprechenden Gewalt und des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards einen angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren. (Vgl. die Rn. 23 der aktuellen Entscheidung)

Zum Leistungsprinzip insbesondere in seinem Zusammenhang mit dem Alimentationsprinzip sagt weiterhin die Entscheidung v. 17.01.2017 - 2 BvL 1/10 -, Rn. 19 das weitgehend Nötige: Das Leistungsprinzip als hergebrachter Grundsatz im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG bezeichnet in seinem Kern vor allem das Prinzip der Bestenauslese, wie es ausdrücklich in Art. 33 Abs. 2 GG verankert ist. Art. 33 Abs. 5 GG ergänzt dabei die für Auswahlentscheidungen geltende Regelung des Art. 33 Abs. 2 GG vor allem durch eine bewahrende, auf den Schutz der „erdienten Statusrechte“ ausgerichtete Komponente, die zur Garantie der Unabhängigkeit des Beamtentums beitragen und damit die Funktionsfähigkeit der Institution sichern soll.

Da der Dienstherr als Folge des Alimentationsprinzips nicht nur den Beamten, sondern auch seine Familie lebenslang amtsangemessen zu alimentieren hat, kann er die Kinderzahl nicht unberücksichtigt lassen und hat er sie wegen des alimentativen Mehrbedarfs ab dem dritten Kind zu beachten. Diese Folgen aus dem Grundsatz sind entsprechend im Hinblick auf das Leistungsprinzip zur Garantie der Unabhängigkeit des Beamtentums ebenso beachtenswert, welche (die genannte Garantie) wiederum die Funktionsfähigkeit der Instiution sichert: Entsprechend ist es zu verstehen, dass die Kinderzahl bis zum zweiten Kind nicht unberücksichtigt und ab dem dritten zu beachten ist, da ansonsten die Unabhängigkeit des jeweiligen Beamten mit Kindern nicht in jedem Fall zu garantieren wäre. Bei den Familienzuschlägen handelt es sich entsprechend um eine aus dem Alimentationsprinzip abgeleitete Nebenkomponeten der Besoldung.

Das Leistungsprinzip schlägt sich hingegen im Grundgehalt als Hauptkomponente der Besoldung nieder. Ein amtsangemessenes Grundgehalt ist Ausdruck des Leistungsprinzip, das wiederum ebenso die Abstufung der Grundgehaltssätze fordert. Von daher hebt das Bundesverfassungsgericht hervor: Durch die Anknüpfung der Alimentation an innerdienstliche, unmittelbar amtsbezogene Kriterien wie den Dienstrang soll sichergestellt werden, dass die Bezüge entsprechend der unterschiedlichen Wertigkeit der Ämter abgestuft sind. Gleichzeitig kommt darin zum Ausdruck, dass jedem Amt eine Wertigkeit immanent ist, die sich in der Besoldungshöhe widerspiegeln muss. Die Wertigkeit wird insbesondere durch die Verantwortung des Amtes und die Inanspruchnahme des Amtsinhabers bestimmt. Die „amts“-angemessene Besoldung ist notwendigerweise eine abgestufte Besoldung (vgl. die Rn. 43 in der aktuellen Entscheidung).

In dem Moment, wo aber die Nebenkomponente der familienbezogenen Besoldungsbestandteile durch ihre sachwidrige Höhe zu einer Hauptkomponente wird, liegt offensichtlich ein Verstoß gegen das Leistungsprinzip vor, da dadurch die Wertigkeit der Ämter sachwidrig durch eine nicht im Sinne des Leistungsprinzips zu rechtfertigende Bedingung (eben die Höhe der Kinderzahl) mit der Folge aufgehoben wird, dass die Ämter als nicht mehr sachgercht abgestuft zu betrachten wären. So verstanden kann die Kinderzahl nicht als Teil des Leistungsprinzips verstanden werden und wäre sie hinsichtlich des Leistungsprinzips eine sachfremde Erwägung, wenn es darum ginge (und darum geht es seit zwei Jahren i.d.R. den Besoldungsgesetzgebern), durch sie die Höhe des Grundgehaltssatzes zu begrenzen. Im Sinne des Beamtenrechts zeigt sich die Leistungsfähigkeit des Beamten nicht in der Anzahl seiner Kinder, sondern in der Qualität, mit der er seine Dienstgeschäfte verrichtet - der Besoldungserfolg kann also nicht von der Zahl der Kinder abhängig gemacht werden, sondern muss weiterhin dem Leistungs- und damit ebenso dem Laufbahnprinzip unterworfen bleiben, da nur so die Bestenauswahl zu sichern ist. Entsprechend hebt das Bundesverfassungsgericht an derselben Stelle hervor: Die Organisation der öffentlichen Verwaltung stellt darauf ab, dass in den höher besoldeten Ämtern die für den Dienstherrn wertvolleren Leistungen erbracht werden. Deshalb muss im Hinblick auf das Leistungs- und das Laufbahnprinzip mit der organisationsrechtlichen Gliederung der Ämter eine Staffelung der Gehälter einhergehen.

Unter diesen Gesichtspunkten betrachtet können die familienbezogenen Besoldungskomponenten nicht gegen den Grundgehaltssatz "ausgespielt" werden. Das meinte ich vorhin, als ich sagte, dass ich die Diskussion der letzten Tage nicht verstehen würde. Denn ich verstehe die jeweiligen Intentionen im Sinne von: Ich kann sie nachvollziehen und bin politisch/ethisch/moralisch der einen mehr und der anderen weniger zugetan - all das spielt aber weder bei mir noch bei jemand anderem eine Rolle, da es um die Rechtsverhältnisse geht; und diese sind vom Bundesverfassungsgericht hinreichend geklärt, sodass man sagen kann, die massiven Erhöhungen der familienbezogenen Besoldungskomponenten der letzten beiden Jahren sind in jedem Fall verfassungswidrig, weil sie sich sachlich nicht rechtfertigen lassen.

Um das an einem abschließenden Beispiel zu verdeutlichen: Durch die massive Erhöhung familienbezogener Besoldungskomponenten erreicht der Beamte mit einem oder zwei Kindern am Ende nur das weitgehend gleiche Alimentationsniveau, als wenn er hinsichtlich des amtsangemessenen Grundgehaltssatzes als Hauptkomponente und einem moderaten Familienzuschlag als Nebenkomponente sachgerecht besoldet werden würde (vgl. das, was ich vorhin zu Beginn geschrieben habe). Für den Beamte mit keinem oder einem Kind gilt das allerdings nicht. So verstanden wirkt die Geburt eines Kindes für den bislang kinderlosen und dann eines zweiten Kindes für jenen Beamten alimentativ jeweils wie eine Beförderung - darin bricht sich das sachfremde Element von sachlich in der Höhe nicht zu rechtfertigenden Familienzuschlägen. Nicht die Kinderzahl, sondern die Bestenauslese sind die Grundlage des Beförderungserfolgs.