Das Bundesverfassungsgericht hat hervorgehoben, dass der Besoldungsgesetzgeber das Recht besitzt, die Besoldung regional zu differenzieren, PolareuD:
"Der Besoldungsgesetzgeber ist allerdings nicht verpflichtet, die Mindestbesoldung eines Beamten oder Richters auch dann an den regionalen Höchstwerten auszurichten, wenn dieser hiervon gar nicht betroffen ist. Der Gesetzgeber muss nicht pauschalieren, sondern kann den maßgeblichen Bedarf individuell oder gruppenbezogen erfassen (vgl. BVerfGE 87, 153 <172>). Insbesondere ist er frei, Besoldungsbestandteile an die regionalen Lebenshaltungskosten anzuknüpfen, etwa durch (Wieder-)Einführung eines an den örtlichen Wohnkosten orientierten (Orts-)Zuschlags (vgl. hierzu BVerfGE 117, 330 <345 ff.>), wie es derzeit regelmäßig bei einer Auslandsverwendung (vgl. § 1b Abs. 1 Nr. 1 LBesG BE i.V.m. § 52 Abs. 1 BBesG i.d.F. vom 6. August 2002) und teilweise auch innerhalb eines Landes (vgl. Art. 94 BayBesG) praktiziert wird. Eine an Wohnsitz oder Dienstort anknüpfende Abstufung ist mit dem Alimentationsprinzip vereinbar, sofern sie sich vor Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigen lässt (vgl. BVerfGE 107, 218 <238, 243 ff.>; 117, 330 <350 f.>). Mit den Mietenstufen des Wohngeldgesetzes, denen alle Kommunen entsprechend den örtlichen Verhältnissen des Mietwohnungsmarktes zugeordnet sind, stünde ein leicht zu handhabendes Kriterium bereit." (Rn. 61 der aktuellen Entscheidung).
Wie aber schon vorgestern hervorgehoben, hat das Bundesverfassungsgericht jedoch zunächst einmal die Grundgehaltssätze in Berlin zwischen 2009 und 2015 als verfassungswidrig zu gering betrachtet. Das zeigt sich auch in der Pressemitteilung, die ebenso sachlich deutlich formuliert (auch hieran zeigt sich der sachliche Gehalt, der zwar deutlichen, aber eben auch sachgerechten Worte Ulrich Battis'):
"Eine Gesamtschau der für die Bestimmung der Besoldungshöhe maßgeblichen Parameter ergibt, dass die im Land Berlin in den verfahrensgegenständlichen Jahren und Besoldungsgruppen gewährte Besoldung evident unzureichend war. Sie genügte nicht, um Richtern und Staatsanwälten nach der mit ihrem Amt verbundenen Verantwortung und nach der Bedeutung dieser Ämter für die Allgemeinheit einen der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards angemessenen Lebensunterhalt zu ermöglichen. Bei der Festlegung der
Grundgehaltssätze wurde die Sicherung der Attraktivität des Amtes eines Richters oder Staatsanwalts für entsprechend qualifizierte Kräfte, das Ansehen dieses Amtes in den Augen der Gesellschaft, die von Richtern und Staatsanwälten geforderte Ausbildung, ihre Verantwortung und ihre Beanspruchung nicht hinreichend berücksichtigt. [...]
Mit dem Amt eines Richters oder Staatsanwaltes sind vielfältige und anspruchsvolle Aufgaben verbunden, weshalb hohe Anforderungen an den akademischen Werdegang und die Qualifikation ihrer Inhaber gestellt werden. Gleichwohl hat das Land Berlin nicht nur die formalen Einstellungsanforderungen abgesenkt, sondern auch in erheblichem Umfang Bewerber eingestellt, die nicht in beiden Examina ein Prädikat ('vollbefriedigend' und besser) erreicht hatten. Dies zeigt, dass die Alimentation ihre qualitätssichernde Funktion, durchgehend überdurchschnittliche Kräfte zum Eintritt in den höheren Justizdienst in Berlin zu bewegen, nicht mehr erfüllt hat. Gegenüberstellungen mit Vergleichsgruppen außerhalb des öffentlichen Dienstes führen im Rahmen der Gesamtabwägung zu keiner anderen Bewertung. Schließlich sind verschiedene Einschnitte im Bereich des Beihilfe- und Versorgungsrechts zu berücksichtigen, die das zum laufenden Lebensunterhalt verfügbare Einkommen zusätzlich gemindert haben.
Insbesondere hat das Land Berlin nicht dargetan, dass
die teilweise drastische Abkopplung der Besoldung der Richter und Staatsanwälte von der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung in Berlin Teil eines schlüssigen und umfassenden Konzepts der Haushaltskonsolidierung gewesen wäre, bei dem die Einsparungen – wie verfassungsrechtlich geboten – gleichheitsgerecht erwirtschaftet werden sollten." (
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2020/bvg20-063.html; Hervorhebungen durch mich)
Jene "teilweise drastische Abkopplung der Besoldung" zeigt sich ebenso in den anderen Besoldungsrechtskreisen. So waren bspw. im Jahr 2020 folgende Fehlbeträge zu betrachten (DÖV 2022, 206):
Besoldungsgruppe Fehlbetrag
netto Monat (€) %
BW A 5/1 872,- 26,0
BY A 3/2 929,- 26,4
BE A 4/1 920,- 27,6
BB A 5/1 567,- 19,2
HB A 3/1 646,- 21,1
HH A 4/1 616,- 20,2
HE A 5/1 866,- 25,9
MV A 4/1 425,- 15,0
NI A 5/1 617,- 20,2
NW A 5/1 578,- 18,8
RP A 4/1 557,- 17,8
SL A 4/1 503,- 17,4SN A 4/1 284,- 10,3
ST A 4/1 267,- 9,8
SH A 2/1 727,- 23,4TH A 6/1 349,- 12,3
Letztlich weisen die hervorgehobenen 13 Besoldungsrechtskreise in der untersten Erfahrungsstufe der niedrigsten Besoldungsgruppe eine Nettoalimentation noch unterhalb des Grundsicherungsniveau auf. Zugleich bleibt zu beachten, dass mit Ausnahme von Thüringen keine realitätsgerechten Beträge für die Kosten für Bildung und Teilhabe sowie die Sozialtarife vorlagen, als die gerade zitierten Werte bemessen worden sind. Zieht man die mittlerweile vom Thüringer Gesetzgeber hierfür ausgewiesenen Beträge heran, ergibt sich in Thüringen ein Fehlbetrag nicht in Höhe von 349,- € (12,3 %), sondern von 527,- € (17,5 %). Entsprechend dürfte davon auszugehen sein, dass 2020 kein Besoldungsgesetzgeber in der niedrigsten Besoldung eine Alimentation oberhalb des Grundsicherungsniveaus gewährt haben dürfte. Von daher sollte für das Jahr 2020 von einer eklatanten Verletzung des Mindestabstandsgebots in allen Rechtskreisen auszugehen sein. Als Ergebnis dürfte in allen Rechtskreisen hinsichtlich der Grundgehaltssätze dasselbe Fazit zu treffen sein, wie es das Bundesverfassungsgericht für Berlin im Zeitraum von 2009 bis 2015 gefällt hat:
"Bei der Festlegung der Grundgehaltssätze wurde die Sicherung der Attraktivität des Amtes eines Richters oder Staatsanwalts für entsprechend qualifizierte Kräfte, das Ansehen dieses Amtes in den Augen der Gesellschaft, die von Richtern und Staatsanwälten geforderte Ausbildung, ihre Verantwortung und ihre Beanspruchung nicht hinreichend berücksichtigt. [Rn. 99] [...] Die Gesamtbetrachtung der Parameter auf der ersten Prüfungsstufe begründet somit die Vermutung, dass im Land Berlin die Grundgehaltssätze der Besoldungsgruppen R 1 und R 2 in den Jahren 2009 bis 2015 sowie die Grundgehaltssätze der Besoldungsgruppe R 3 im Jahr 2015 das Mindestmaß amtsangemessener Alimentation unterschritten haben (vgl. Rn. 148 ff.). Die Gesamtabwägung unter Einbeziehung weiterer alimentationsrechtlicher Determinanten bestätigt diese Vermutung (vgl. Rn. 154 ff.). [Rn. 160] In der Gesamtabwägung ergibt sich, dass die Bemessung der Grundgehaltssätze der Besoldungsgruppen R 1 bis R 3 in Berlin im verfahrensgegenständlichen Zeitraum nicht mehr amtsangemessen war. [Rn. 176]"
Auch daran zeigt sich, dass davon auszugehen ist, dass als Folge der aktuellen Rechtsprechung in allen Rechtskreisen zunächst einmal die Grundgehaltssätze zu erhöhen wären, da 2020 ausnahmslos von einer eklatanten Verletzung des Mindestabstandsgebots in allen Rechtskreisen auszugehen ist, die eine Alimentation noch unterhalb des Grundsicherungsniveaus darstellt. Für einen solchen Fall hebt das Bundesverfassungsgericht hervor:
"Eine Verletzung des Mindestabstandsgebots betrifft aber insofern das gesamte Besoldungsgefüge, als sich der vom Besoldungsgesetzgeber selbst gesetzte Ausgangspunkt für die Besoldungsstaffelung als fehlerhaft erweist. Das für das Verhältnis zwischen den Besoldungsgruppen geltende Abstandsgebot zwingt den Gesetzgeber dazu, bei der Ausgestaltung der Besoldung ein Gesamtkonzept zu verfolgen, das die Besoldungsgruppen und Besoldungsordnungen zueinander in Verhältnis setzt und abhängig voneinander aufbaut. Erweist sich die Grundlage dieses Gesamtkonzepts als verfassungswidrig, weil für die unterste(n) Besoldungsgruppe(n) die Anforderungen des Mindestabstandsgebots missachtet wurden, wird der Ausgangspunkt für die darauf aufbauende Stufung in Frage gestellt. Der Besoldungsgesetzgeber ist danach gehalten, eine neue konsistente Besoldungssystematik mit einem anderen Ausgangspunkt zu bestimmen. " (Rn. 48)
Daneben steht es dem Gesetzgeber frei, Besoldungsbestandteile an die regionalen Lebenshaltungskosten anzuknüpfen, etwa durch (Wieder-)Einführung eines an den örtlichen Wohnkosten orientierten (Orts-)Zuschlags, sofern der Beamte oder Richter nicht von den regionalen Höchstwerten im Besoldungsrechtskreis betroffen ist. Die tatsächlichen Bedarfe wären von daher im Gesetzgebungsverfahren zunächst einmal entsprechend zu konkretisieren, was den Gesetzgeber aber gleichfalls nicht davon entheben sollte, die verletzte Besoldungsordnung A zu heilen, indem er zu einer substanziellen Anpassung der Grundgehaltssätze voranschreitet.
Entsprechend ist auch diese Aussage sachlich falsch, Bundesjogi:
Dann schauen wir doch mal, ob die Verfassungsrichter sich am Ende wirklich trauen, den politischen Entscheidungsträgern vorzuschreiben wie sie den öffentlichen Dienst aufzustellen haben.
Der Gesetzgeber verfügt weiterhin über einen weiten Entscheidungsspielraum, wie er die ihn treffende Gestaltungsperspektive erfüllt - er muss seine Entscheidungen nur sachgerecht begründen, um seinen Pflichten nachzukommen, wie sie nun einmal verfassungsrechtlich gegeben sind.
@ iceshield1234
Zunächst einmal sind die Tarifverhandlungen von der Besoldungsgesetzgebung zu trennen, da das eine mit dem anderen verfassungsrechtlich nichts zu tun hat. Jedoch haben Bundestag und Bundesregierung 2021 eingestanden, dass das derzeitige Besoldungsgesetz verfassungswidrig ist. Sobald der Gesetzgeber das Tarifergebnis auf seine Beamten übertragen will - er hat bislang keinen Zweifel daran gelassen, dass er das will -, muss er das gesetzlich vollziehen. Da der Gesetzgeber nach Art. 20 Abs. 3 GG an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden ist, ist es ihm verwehrt, verfassungswidrige Gesetze zu verabschieden. Er ist also verfassungsrechtlich dazu gezwungen, spätestens dann zu einer verfassungskonformen Gesetzgebung zurückzukehren. Da der derzeitige Gesetzentwurf, der nach eigenem Bekunden das Ziel verfolgt, einen wieder verfassungskonformen Zustand herzustellen, weiterhin wissentlich und willentlich verfassungswidrig gestaltet ist, dürfte es wahrscheinlich sein, dass die geäußerte Zielsetzung bis auf Weiteres nichts mit dem tatsächlichen Handeln zu tun hat.