Wenn ich es richtig sehe, reproduziert ihr hier weitergehend - das soll kein Vorwurf sein - das spezifische Verhalten der Besoldungsgesetzgeber, indem ihr nicht beachtet, dass die gesetzgeberische Gestaltungsdirektive verfassungsrechtlich etwas gänzlich anderes ist als die gerichtliche Kontrolle der vom Gesetzgeber vollzogenen Gesetzgebung. Letztere kann sich verfassungsrechtlich wegen des weiten Entscheidungsspielraums, über den der Gesetzgeber verfassungsrechtlich grundsätzlich verfügt, nur auf die Betrachtung evidenter (also einwandfrei nachweisbarer) Sachwidrigkeit beschränken. Sie kann und darf als Folge von Verfassungs wegen nicht den politischen Gehalt von Entscheidungen des Gesetzgebers prüfen, solange dieser nicht in die evidente Sachwidrigkeit führt. Entsprechend hebt das Bundesverfassungsgericht regelmäßig hervor:
"Es ist nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts zu prüfen, ob der Gesetzgeber dabei die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste Lösung gewählt hat [...]. Dem weiten Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers entspricht vielmehr eine zurückhaltende, auf den Maßstab evidenter Sachwidrigkeit beschränkte Kontrolle der einfachgesetzlichen Regelung [...]. Im Ergebnis beschränkt sich die materielle Kontrolle dabei auf die Frage, ob die Bezüge der Richter und Staatsanwälte evident unzureichend sind. Ob dies der Fall ist, muss anhand einer Gesamtschau verschiedener Kriterien und unter Berücksichtigung der konkret in Betracht kommenden Vergleichsgruppen geprüft werden" (Rn. 27 in der aktuellen Entscheidung).
Anders als beim Mindestabstandsgebot, das mit dem absoluten Alimentationsschutz verzahnt ist und deshalb in gewisser Hinsicht eine Sonderrolle im Prüfverfahren einnimmt, kann aus einer Betrachtung eines einzelnen Parameters der ersten Prüfungsstufe im Zuge der gerichtlichen Kontrolle nicht geschlossen werden, ob eine gewährte Alimentation verfassungswidrig ist. Auch aus einem Wert von 5 oder 7 oder 10 oder 13 oder 37 als Ergebnis des systeminternen Besoldungsvergleichs kann
nicht geschlossen werden, dass die gewährte Alimentation in einer Besoldungsgruppe verfassungskonform oder verfassungswidrig ist. Eine Abschmelzung des Besoldungsunterschieds in der Endstufe zweier vergleichbarer Besoldungsgruppen um mehr als 10 Prozentpunkte innerhalb von fünf Jahren indiziert, dass die Alimentation nicht amtsangemessen ist. Indiziert meint: Es trägt zur
Vermutung einer verfassungswidrigen Alimentation bei. Nicht mehr und nicht weniger. Die Mathematik dient ausschließlich der
Prüfung der Alimentation und Besoldungssystematik. Ein rein mathematisches Verfahren kann nicht hinreichend sein, um eine amtsangemessene Alimentation zu begründen.
Denn diese
Begründung ist Aufgabe des Besoldungsgesetzgeber als Folge seiner ihm von Verfassungs wegen treffenden gesetzgeberischen Gestaltungsperspektive, wie sie sich aus Art. 33 Abs. 5 GG ergibt. Der Besoldungsgesetzgeber kann eine sachgerechte Besoldung und Alimentation nicht errechnen; er kann sie nur sachgerecht begründen. Diese ihn treffende Begründungspflicht ist die "zweite Säule" des Alimentationprinzips. Die erste ist der materielle Gehalt der gewährten Alimentation.
Was folgt daraus nun für den hier betrachteten Fall des vierten Prüfparameters? Zunächst einmal muss wiederum zwischen der gesetzgeberischen Gestaltung(sperspektive) und der gerichtlichen Kontrolle unterschieden werden; denn hier liegt eine verfassungsrechtlich unüberwindbare Kluft vor, die sich aus den verfassungsrechtlich jeweils unterschiedlichen Aufgabe von Legislative und Judikative ergibt. Erstere hat zu beachen, dass es sich beim Abstandsgebot zwischen den Besoldungsgruppen um einen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums handelt, der als grundlegender Teil des Alimentationsprinzips vom Gesetzgeber nicht nur zu berücksichtigen, sondern zu beachten ist. Wegen der eng mit dem Alimentationsprinzip aus Art. 33 Abs. 5 GG und dem Leistungsprinzip aus Art. 33 Abs. 2 GG verbundenen Ämterwertigkeit hat der Gesetzgeber zu beachten, dass ein höherwertiges Amt höher zu besolden ist als ein geringerwertiges; am Ende muss ein ein höherwertiges Amt bekleidender Beamter höher alimentiert werden als ein Beamter, der ein geringerwertiges Amt bekleidet. Ist das nicht der Fall, liegt - jetzt kommen wir wieder zur gerichtlichen Kontrolle - eine evidente Sachwidrigkeit vor, die wegen des genannten Abstandsgebots zur Verfassungswidrigkeit der Norm führt.
Besteht am Ende aber - um den Extremfall zu nehmen - zwischen zwei vergleichbaren Besoldungsgruppen eine unterschiedlich hohe Besoldung, die im Ergebnis dazu führt, dass das höherwertige Amt am Ende um ein Cent höher alimentiert wird als das geringerwertige, kann daraus nicht automatisch geschlossen werden, dass eine sachwidrige Regelung vorliegt. Vielmehr hat die gerichtliche Kontrolle nun zu prüfen, ob die Begründung des Gesetzgebers, die der jeweiligen Ämterbewertung zugrunde liegt, sachgerecht vorgenommen worden ist. Ist das der Fall - was in einem solchen Extremfall wie der gerade von mir konstruierte kaum der Fall sein könnte -, spräche verfassungsrechtlich nichts gegen eine solche gesetzliche Regelung.
Um nun aber erst einmal zu prüfen, ob der vierte Parameter der ersten Prüfungsstufe - der sog. systeminterne Besoldungsvergleich - die Vermutung einer verfassungswidrigen Unteralimentation indiziert, muss im
Prüfverfahren anhand der Endstufengehälter ein Vergleich vergleichbarer Besoldungsgruppen durchgeführt werden. Kommt jener Vergleich zu dem Ergebnis, dass der Unterschied im Fünfjahresturnus hinsichtlich der Prozentpunkte 0 ist, ist keine Indizierung einer verfassungswidrigen Unteralimentation gegeben. Liegt die Differenz oberhalb von 0, wäre jener Fall mit dem ihm zukommenden Gewicht zunächst in die Gesamtbetrachtung aller Parameter der ersten Prüfungsstufe einzustellen und am Ende in der Gesamtabwägung - nach Vollzug der beiden ersten Prüfungsstufen des gerichtlichen Prüfverfahrens - ggf. noch einmal genauer zu untersuchen bzw. eben im Gesamtkonzert beider Prüfstufen abzuwägen. Der Abwägeprozess ist nun wiederum kein mathematisches Verfahren, sondern geschieht prüfend mit dem Ziel, eine Klärung vorzunehmen, dass die einem Beamten gewährte Nettoalimentation evident sachwidrig ist, also eine Unteralimentation darstellt, oder sachgerecht erfolgt ist, also ihm eine amtsangemessene Alimentation gewährt worden ist.
So verstanden verkürzt ihr gerade einen einzelnen Prüfparameter in seinem indiziellen Gehalt, indem ihr ihn nicht im Konzert aller anderen Parameter betrachtet und ihn darüber hinaus ausschließlich als mathematisches Konstrukt versteht. Denn der Prüfparameter ist zunächst ein mathematisches Konstrukt - jenes Konstrukt dient aber der Kontrolle des Gesetzes: und diese Kontrolle kann am Ende grundsätzlich nur begründend und nicht mathematisierend erfolgen. Ein einzelner Wert von unter 10 ist also für sich genommen weder unproblematisch noch problematisch - sondern er ist ein mathematischer Wert, der erst im Kontext aller anderen Werte, die in der Prüfung vollzogen werden und zu betrachten sind, seine Bedeutung erlangt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Und damit wären wir dann wieder bei der Methodik des systeminternen Besoldungsvergleichs. Das Bundesverfassungsgericht hat zu dieser Methodik ausgeführt, wie ich vorhin schon zitiert habe: "Während die Abstände der Bruttogehälter in den Besoldungsgruppen, wie die Berechnungen des Oberverwaltungsgerichts gezeigt haben, im Wesentlichen unverändert geblieben sind, wurde in den verfahrensgegenständlichen Jahren das Mindestabstandsgebot nicht eingehalten (vierter Parameter)." (Rn. 140) Damit hat es die Methodik des OVG als sachgerecht betrachtet - ansonsten hätte es den ersten Teil des gerade zitierten Satzes so nicht formulieren dürfen. Denn eine nicht sachgerechte Methodik dürfte nicht herangezogen werden, da sie keine sachgerechte Begründung zulassen würde.
Wie nun sah die Methodik des OVG aus?
In seiner Entscheidung vom 12.10.2016 - 4 B 37.12 (
https://gesetze.berlin.de/bsbe/document/JURE160017516) - hat das OVG zunächst den direktiven Gehalt der betreffenden bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung korrekt wiedergegeben (Rn. 37). Ab der Rn. 107 hat es dann drauf aufbauend den systeminternen Besoldungsvergleich durchgeführt. Die in der Rn. 108 wiedergegebene Tabelle zeigt dann - unabhängig davon, ob nun absolute oder relative Prozentwerte betrachtet werden würden -, dass die Bruttogehälter in den Besoldungsgruppen im Wesentlichen unverändert geblieben sind, so wie es das Bundesverfassungsgericht im gerade vorgenommenen Zitat ausführt. In der Rn. 109 betrachtet es nun die vom Kläger aufgeworfene Frage nach der ggf. vorhandenen Verletzung des Mindestabstandsgebots (2016 gab es dazu noch kein Prüfungsheft des Bundesverfassungsgerichts, jenes ist er mit der aktuellen Entscheidung von 2020 gegeben). Als Folge setzt es in der nächsten Tabelle in der Rn. 110 eine um fiktiv 285,71 € in den Besoldungsgruppen A 4 bis A 14 höhere Besoldung voraus und führt daraufhin unter dieser Prämisse den systeminternen Besoldungsvergleich durch.
Im Ergebnis vergleicht es nun die Prozentpunkte miteinander, indem es sie voneinander subtrahiert (vgl. die Rn. 109), um daraus weitere Schlüsse zu ziehen, die uns hier nicht (mehr) weiter interessieren müssen, da die Frage, wie man einen ggf. vorhandenen Verstoß gegen das Mindestabstandsgebot prüft, seit rund drei Jahren - anders als noch 2016 - geklärt ist. Entscheidend für die uns hier interessierende Frage ist die Methodik, die das OVG heranzieht. Sie erfolgt entsprechend wie von mir gestern vollzogen, ohne dass sich dagegen ein Widerspruch des Bundesverfassungsgerichts geregt hätte. Von daher muss davon ausgegangen werden, dass das Bundesverfassungsgericht eine am Ende die Prozentpunkte zweier vergleichbarer Besoldungsgruppen im Fünf-Jahres-Turnus voneinander subtrahierende Methodik als sachgerecht betrachtet, um anhand des systeminternen Besoldungsvergleichs (also in der Kontrolle der Norm) Aussage hinsichtlich des Abstandsgebots zwischen den Besoldungsgruppen und damit über die materielle Dimension der Norm zu machen.
Der langen Rede kurzer Sinn: Die Formulierung, "Ein im Rahmen der Gesamtabwägung zu gewichtendes Indiz für eine unzureichende Alimentation liegt vielmehr bereits dann vor, wenn die Abstände um mindestens 10 % in den zurückliegenden fünf Jahren abgeschmolzen wurden" (vgl. bspw. in der aktuellen Entscheidung die Rn. 45), ist etwas unglücklich formuliert - aber die Intention hinsichtlich des Prüferverfahrens ist eindeutig. Wenn - um das gestrige Beispiel noch einmal hervorzuholen - in A 2/8 die Besoldung um zunächst 200,- € und danach um 5,5 % erhöht werden würde, dann würde sich die Besoldung hier von 2.587,38 € auf 2.940,69 € (+ 353,31 € = 13,7 %) erhöhen, während derselbe Fall sich für A 16/8 wie folgt auswirken würde (unabhängig davon, dass jener Fall nicht eintreten wird - aber hier geht es ja um die Methodik und den sachlich Gehalt der bundesverfasungsgerichtlichen Rechtsprechung): Die Besoldung erhöhte sich von heute 8.078,22 € nach 8.733,52 € (+ 655,3 € = 8,1 %). Damit aber hätten wir eine Entwicklung, die das Bundesverfassungsgericht als grundsätzlich bedenklich einstuft, nämlich dass es im Gefolge einer sozialen Staffelung der Besoldung zur Schlechterstellung höherer Besoldungsgruppen kommen würde, obgleich sie im selben Zeitraum denselben wirtschaftlichen Bedingungen unterworfen waren. Von daher führt das Bundesverfassungsgericht entsprechend deutlich aus:
"Verfassungsrechtlich bedenklich ist im Lichte des Abstandsgebots auch eine alimentationsbezogene Schlechterstellung höherer Besoldungsgruppen durch eine zeitversetzte und/oder gestufte Inkraftsetzung der Besoldungserhöhung für Angehörige dieser Besoldungsgruppen als Ausdruck einer sozialen Staffelung. Der Besoldungsgesetzgeber entfernt sich dabei regelmäßig von der verfassungsrechtlichen Vorgabe, die Bemessung der Alimentation - für alle Beamten - an der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und dem allgemeinen Lebensstandard zu orientieren. Die von Verfassungs wegen geschuldete Alimentierung ist nicht eine dem Umfang nach beliebig variable Größe, die sich einfach nach den „wirtschaftlichen Möglichkeiten“ der öffentlichen Hand oder nach den politischen Dringlichkeitsbewertungen hinsichtlich der verschiedenen vom Staat zu erfüllenden Aufgaben oder nach dem Umfang der Bemühungen um die Verwirklichung des allgemeinen Sozialstaatsprinzips bemessen lässt" (BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 17. November 2015 - 2 BvL 19/09 -, Rn. 91)