Du musst Dich nicht entschuldigen, Alex - wir haben ja zum Glück Meinungsfreiheit in Deutschland.
Einen jeweils klugen Einstieg in das Thema - wenn auch aus der Zeit vor der aktuellen Entscheidung - bieten (hier findest Du über die schlüssige Betrachtungen von Rentenonkel hinaus präzise Zusammenfassungen, PolareuD, bei Färber nicht zuletzt in tabellarischer Form):
- Monika Böhm, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Beamtenbesoldung, ZBR 2018, S. 222 ff.
- Gisela Färber, Ökonomische Aspekte einer verfassungskonformen Gestaltung von Besoldung und Versorgung, ZBR 2018, S. 228 ff.
Die sechs maßgeblichen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ab seinem 2012 eingeleiteten Rechsprechungswandel finden sich hier; im Anschluss an jede Entscheidung führe ich etwas Literatur aus, die die jeweilige Entscheidung betrachtet:
- BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 14. Februar 2012 - 2 BvL 4/10 - (
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2012/02/ls20120214_2bvl000410.html)
Isabel Schübel-Pfister, Additiv, alimentativ, attraktiv: Das "Triple A" der Besoldung von Professoren und anderer Beamtengruppen im Lichte des Alimentationsprinzips, in: Becker/Lange (Hrsg.), Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, erörtert von den wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Bd. 3, 2014, S. 269 (274 f., 289 ff.).
- BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 05. Mai 2015 - 2 BvL 17/09 -,
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2015/05/ls20150505_2bvl001709.html- BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 17. November 2015 - 2 BvL 19/09 -,
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2015/11/ls20151117_2bvl001909.htmlJosef Franz Lindner, Besoldung und "Schuldenbremse" - Analyse der neuen Dogmatik des BVerfG zum Alimentationsprinzip, VBl. 2015, S. 801 ff.
Arne Pilniok, Die Dogmatik des Alimentationsprinzips zwischen Kontinuität und Innovation: Anmerkungen zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Richterbesoldung, ZBR 2015, S. 361 ff.
Timo Hebeler, Die verfassungsrechtlichen Maßstäbe für die Beamtenbesoldung nach der Richterbesoldungsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts - Eine kritische Würdigung, in: ZBR 2015, S. 289 ff.
Martin Stuttmann, BVerfG zur A-Besoldung: Die Besoldung aller Beamtengruppen muss angehoben werden, NVwZ 2016, S. 184 ff.
Markus Jerxen, Besoldungsfragen vor dem Bundesverfassungsgericht, in: Fabian Scheffczyk, Kathleen Wolter (Hrsg.): Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, erörtert von den wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Bd. 4, 2016, S. 343 (344 ff.).
BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 23. Mai 2017 - 2 BvR 883/14 -,
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2017/05/rs20170523_2bvr088314.htmlArno Wieckhorst, Die Begründungspflicht des Besoldungsgesetzgebers als zahnloser Tiger, DÖV 2021, S. 361 (364).
BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 16. Oktober 2018 - 2 BvL 2/17 -,
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2018/10/ls20181016_2bvl000217.htmlJosef Franz Lindner, Die "zweite Säule" des Alimentationsprinzips - zur Begründungspflicht des Besoldungsgesetzgebers, ZBR 2019, S. 83 ff.
BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 04. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -,
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/ls20200504_2bvl000418.htmlMartin Stuttmann, Die Besoldungsrevolution des BVerfG, Der Mindestabstand zum Grundsicherungsniveau, NVwZ-Beilage 2020, S. 83 ff.
Torsten Schwan, Neue bundesverfassungsgerichtliche Direktiven für die Besoldungsdogmatik und ihre Folgen für das zukünftige Alimentationsniveau, DÖV 2021, S. 368 ff.
Alexia Tepke/Andreas Becker, Goldene Besoldungszeiten nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts von Mai 2020 zur Mindest- und Familienalimentation?, ZBR 2022, S. 145 ff.
Wenn Du die Beiträge systematisch durcharbeitest und dabei also zugleich die jeweiligen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Hand nimmst, wirst Du ein erstes sauberes Fundament haben, auf dem sich sachlich aufbauen lässt. Dabei gilt es zu beachten, dass erst die letztgenannten Beiträge auch die aktuelle Entscheidung, insbesondere hinsichtlich der direktiven Klarstellungen, die diese Entscheidung beinhaltet, in den Blick nehmen konnten.
@ DeepBlue
Die Mindestalimentation hat in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Art "Zwitterstellung": Während die anderen Parameter der ersten Prüfungsstufe eine ausnahmslos indizielle Bedeutung haben ("indiziell" meint, die Parameter erfüllen ausschließlich eine Funktion im (gerichtlichen) Prüferverfahren), hat die Mindestalimentation sowohl eine indizielle als auch eine materielle Funktion (dazu erscheint wie gesagt im Juni-Heft der ZBR ein Beitrag, der die systematischen Zusammenhänge der beiden Abstandsgebote in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in den Blick nimmt):
- Die Mindestalimentation beinhaltet in seiner materiellen Funktion das Rechtsgut, das vom absoluten Alimentationsschutz umfasst ist und in das folglich keine Einschnitte möglich sind; sie liegt 15 % oberhalb des Grundsicherungsniveau. Sobald in der niedrigsten Besoldungsgruppe und Erfahrungsstufe die Mindestalimentation überschritten ist, ist ihre indizielle Funktion gegeben: In diesem Fall liegt ein Indiz für eine verfassungskonforme Alimentation vor. Wird sie in der niedrigsten Besoldungsgruppe und Erfahrungsstufe unterschritten, liegt kein Indiz für eine verfassungswidrige Alimentation vor, sondern dann
ist wegen des Einschnitts in den vom absoluten Alimentationsschutz umfassten Gehalt der Alimentation materiell eine Unteralimentation gegeben, die zwangsläufig zur Verfassungswidrigkeit der Norm führt.
- Das bundesverfassungsgerichtliches Prüfpendant zur Mindestalimentation ist die Mindestbesoldung, die das Bundesverfassungsgericht in der letzten Entscheidung als indiziellen Parameter in die erste Prüfungsstufe eingeflochten hat, ohne dass das bislang von irgendeinem der Besoldungsgesetzgeber sachlich hinreichend beachtet worden wäre - genau um die Folgen dieser Nicht-Beachtung eines zentralen Prüfkriteriums wird es in dem genannten ZBR-Beitrag im Juni gehen, womit dann zugleich der Zusammenhang von materiellen Rechtsgütern und prozeduralen Anforderungen in den Blick gerät, wie ihn das Bundesverfassungsgericht in seiner letzten Entscheidung systematisch in den Blick genommen hat. Da das Bundesverfassungsgericht seine Aufgabe nicht darin sieht, den Besoldungsgesetzgeber mitsamt seiner kundigen Fachleute mit der Nase auf eindeutige Direktiven zu stupsen, muss man die aktuelle Entscheidung gewissenhaft lesen und das Ergebnis in den Kontext der bislang erstellten Dogmatik stellen, um die offensichtlich weitreichenden Folgen zu erkennen, die aus diesem Prüfparameter resultieren. Dass sie diese weitreichenden Folgen hinreichend erkannt hätten, dafür hat bis heute weiterhin kein Besoldungsgesetzgeber eine schlüssige Darlegung erstellt.
Dadurch dass die Besoldungsgesetzgeber also die Begründung ihrer Gesetzgebung in den letzten knapp drei Jahren wiederholt vor allem auf das Mindestabstandsgebot verkürzt, dieses aber dabei bislang nicht hinreichend durchdrungen haben, dürfte vieles dafür sprechen, dass sie mindestens die sie treffenden prozeduralen Anforderungen verfehlt haben werden. Ein entsprechenden Ausblick in ggf. mögliche Folgen finden sich hier:
https://www.berliner-besoldung.de/wp-content/uploads/2023/03/Weitere-Normenkontrollantraege-vor-der-Entscheidung-5.pdf