Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 3856146 times)

Rentenonkel

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5760 am: 27.04.2023 10:46 »
Ob die Mindestbesoldung dem Alimentationsprinzip nach Art. 33 Abs. 5 GG entspricht, prüft das BVerfG in drei Stufen. Der verfassungsrechtliche Maßstab für die Besoldung der Richter und Staatsanwälte ergibt sich nach dem BVerfG aus Art. 33 Abs. 5 GG (hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums). Zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gemäß Art. 33 Abs. 5 GG zählt das Alimentationsprinzip, wie oben beschrieben. Bei der praktischen Umsetzung dieses Prinzips hat der Gesetzgeber allerdings einen weiten Entscheidungsspielraum, dem eine zurückhaltende, auf den Maßstab evidenter Sachwidrigkeit beschränkte gerichtliche Kontrolle entspricht.

Die einzelnen Parameter der ersten Stufe

Ein erster Parameter ist eine deutliche Differenz zwischen der Besoldungsentwicklung und den Tarifergebnissen der Angestellten im öffentlichen Dienst. Ein Indiz für eine evidente Missachtung des Alimentationsgebotes liegt in der Regel vor, wenn die Differenz zwischen den Tarifergebnissen und der Besoldungsanpassung mindestens 5 Prozent des Indexwertes der erhöhten Besoldung beträgt. Ausgehend von dem jeweils streitgegenständlichen Zeitabschnitt ist die Betrachtung dabei auf den Zeitraum der zurückliegenden 15 Jahre zu erstrecken.

Ein zweiter Parameter ist eine deutliche Abweichung der Besoldungsentwicklung von der Entwicklung des Nominallohnindex im jeweils betroffenen Land. Eine evidente Missachtung des Alimentationsgebotes ist dann gegeben, wenn die Differenz bei Zugrundelegung eines Zeitraums von 15 Jahren mindestens 5 Prozent des Indexwertes der erhöhten Besoldung beträgt.

Ein dritter Parameter ist eine deutliche Abweichung der Besoldungsentwicklung von der Entwicklung des Verbraucherpreisindex in dem jeweils betroffenen Land oder – bei der Bundesbesoldung – auf Bundesebene. Bleibt die Besoldungsentwicklung im verfahrensgegenständlichen Zeitabschnitt hinter der Entwicklung des Verbraucherpreisindex in den zurückliegenden 15 Jahren um mindestens 5 Prozent zurück, ist dies ein weiteres Indiz für die evidente Unangemessenheit der Alimentation.

Ein vierter Parameter ist der systeminterne Besoldungsvergleich. Eine deutliche Verringerung der Abstände der Bruttogehälter in den Besoldungsgruppen infolge unterschiedlich hoher linearer Anpassungen bei einzelnen Besoldungsgruppen oder zeitlich verzögerter Besoldungsanpassungen indiziert einen Verstoß gegen das Abstandsgebot. Ein Verstoß liegt in der Regel vor bei einer Abschmelzung der Abstände zwischen zwei vergleichbaren Besoldungsgruppen um mindestens 10 Prozent in den zurückliegenden fünf Jahren.

Der fünfte Parameter ist der Quervergleich mit der Besoldung des Bundes und anderer Länder. Zeigt sich eine erhebliche Gehaltsdifferenz im Vergleich zum Durchschnitt der Bezüge der jeweiligen Besoldungsgruppe im Bund oder in den anderen Ländern, spricht dies dafür, dass die Alimentation ihre qualitätssichernde Funktion nicht mehr erfüllt. Wann eine solche Erheblichkeit gegeben ist, kann nicht pauschal beantwortet werden. Liegt das streitgegenständliche jährliche Bruttoeinkommen einschließlich etwaiger Sonderzahlungen 10 Prozent unter dem Durchschnitt des Bundes und anderer Länder im gleichen Zeitraum, ist dies jedenfalls ein weiteres Indiz für eine verfassungswidrige Unteralimentation.

Die zweite Prüfungsstufe

Wenn drei der oben genannten fünf Parameter erfüllt sind, besteht die Vermutung einer verfassungswidrigen Unteralimentation. Diese Vermutung kann im Rahmen einer Gesamtabwägung durch Berücksichtigung weiterer alimentationsrelevanter Kriterien widerlegt oder weiter erhärtet werden. Zu diesen weiteren Kriterien zählen das Ansehen des Amtes in den Augen der Gesellschaft sowie die vom Amtsinhaber geforderte Ausbildung und Beanspruchung.

Sind lediglich ein oder zwei Parameter verletzt, müssten die Ergebnisse der ersten Stufe, insbesondere das Maß der Über- oder Unterschreitung der Parameter, zusammen mit denen auf der zweiten Stufe ausgewerteten Kriterien im Rahmen einer Gesamtabwägung gewürdigt werden.

Ob die Alimentation ihre qualitätssichernde Funktion erfüllt, zeigt sich auch daran, ob es in dem betreffenden Land gelingt, überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte für den höheren Justizdienst oder allgemein für den Beamtendienst anzuwerben. Dies ist nicht der Fall, wenn das Niveau der Einstellungsnoten über einen Zeitraum von fünf Jahren in erheblicher Weise sinkt und/oder die Voraussetzungen für die Einstellung in den höheren Justizdienst (Laufbahngruppe des höheren Dienstes) oder für den allgemeinen Beamtendienst spürbar herabgesetzt werden.

In der Höhe der Alimentation spiegelt sich auch die besondere Qualität der Tätigkeit und Verantwortung eines Richters oder Staatsanwalts oder des Beamten wider. Die Amtsangemessenheit der Alimentation ist ferner im Lichte des Niveaus der Beihilfe- und Versorgungsleistungen zu bewerten. Bei einer Aufzehrung der allgemeinen Gehaltsbestandteile durch krankheitsbezogene Aufwendungen kann eine Korrektur der Besoldungs- und Versorgungsgesetze verfassungsrechtlich geboten sein. Gleiches gilt, wenn eine Vielzahl zeitlich gestaffelter, für sich genommen verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Einschnitte des Gesetzgebers im Beihilfebereich das für den sonstigen Lebensunterhalt zur Verfügung stehende Einkommen unangemessen reduzieren (»Salami-Taktik«). Auch Kürzungen der Altersversorgung können zu einer Unterschreitung der verfassungsrechtlich gebotenen Alimentation führen.

Ob die Alimentation einem Amt, das für überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte attraktiv sein soll, angemessen ist, zeigt schließlich auch ein Vergleich der Besoldungshöhe mit den durchschnittlichen Bruttoverdiensten sozialversicherungspflichtig Beschäftigter mit vergleichbarer Qualifikation und Verantwortung in der Privatwirtschaft. Die Besonderheiten des Status und des beamtenrechtlichen Besoldungs- und Versorgungssystems dürfen hierbei nicht außer Acht gelassen werden.


Die dritte Prüfungsstufe

Ergibt die Gesamtschau, dass die als unzureichend angegriffene Alimentation grundsätzlich als verfassungswidrige Unteralimentation einzustufen ist, bedarf es der Prüfung, ob diese im Ausnahmefall verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein kann. Der Grundsatz der amtsangemessenen Alimentation ist Teil der mit den hergebrachten Grundsätzen verbundenen institutionellen Garantie des Berufsbeamtentums nach Art. 33 Abs. 4 und Art. 33 Abs. 5 GG. Soweit er mit anderen verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen oder Instituten kollidiert, ist er – wie dies auch sonst der Fall ist – entsprechend dem Grundsatz der praktischen Konkordanz im Wege der Abwägung zu einem schonenden Ausgleich zu bringen

Allein die Finanzlage der öffentlichen Haushalte oder das Ziel der Haushaltskonsolidierung vermögen den Grundsatz der amtsangemessenen Alimentierung jedoch nicht einzuschränken – andernfalls liefe die Schutzfunktion des Art. 33 Abs. 5 GG ins Leere. Auch das besondere Treueverhältnis verpflichtet Richter und Beamte nicht dazu, stärker als andere zur Konsolidierung öffentlicher Haushalte beizutragen. Eine Einschränkung des Grundsatzes der amtsangemessenen Alimentierung aus rein finanziellen Gründen kann allenfalls zur Bewältigung von Ausnahmesituationen (vgl. Art. 109 Abs. 3 Satz 2 GG) dann wirksam werden, wenn die betreffende gesetzgeberische Maßnahme ausweislich einer aussagekräftigen Begründung in den Gesetzgebungsmaterialien Teil eines schlüssigen und umfassenden Konzepts der Haushaltskonsolidierung ist.

Kürzungen oder andere Einschnitte können durch solche Gründe sachlich gerechtfertigt werden, die im Bereich des Systems der Beamtenbesoldung liegen. Zu solchen systemimmanenten Gründen können finanzielle Erwägungen zwar hinzutreten; das Bemühen, Ausgaben zu sparen, kann aber keine ausreichende Legitimation für eine Kürzung der Besoldung sein, soweit sie nicht als Teil eines schlüssigen Gesamtkonzepts dem in Art. 109 Abs. 3 GG verankerten Ziel der Haushaltskonsolidierung dient.

Die Festlegung der Besoldungshöhe durch den Gesetzgeber ist an die Einhaltung prozeduraler Anforderungen geknüpft. Diese Anforderungen treffen ihn insbesondere in Form von Begründungspflichten. Die Ermittlung und Abwägung der berücksichtigten und berücksichtigungsfähigen Bestimmungsfaktoren für den verfassungsrechtlich gebotenen Umfang der Anpassung der Besoldung müssen sich in einer entsprechenden Darlegung und Begründung im Gesetzgebungsverfahren niederschlagen.

Die Alimentation ist unabhängig von den obigen Prüfstufen in jedem Fall verfassungswidrig, wenn das Mindestabstandsgebot (zu Leistungen der Grundsicherung) nicht gewahrt ist. Hier zitiere ich mal Swen:

Da das Mindestabstandsgebot in allen 17 Rechtskreisen weiterhin verletzt und die Mindestalimentation neben ihrem indiziellen Gehalt ebenso eine materielle Dimension hat, nämlich den vom absoluten Alimentationsschutz umfassten Gehalt einer Alimentation, in die folglich keine Einschnitte statthaft sind, wird es auch von uns hier zumeist in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt - und die Gesetzgeber verhalten sich ähnlich: nur dass sie damit ihrer gesetzgeberischen Gestaltungsdirektive nicht sachgerecht nachkommen. Das wird das Bundesverfassungsgericht in der anstehenden Entscheidung in noch einmal deutlicherer Form hervorheben als bislang.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5761 am: 27.04.2023 10:55 »
Denn ebenso zeigt ja der dritte Parameter allein schon wegen der seit 2020 vollzogenen Entwicklungen deutlich in eine Richtung, ohne dass ich hier jetzt aus Zeitründen den gesamten 15-jährigen Zeitraum betrachte:

            Besoldungsindex         Verpraucherpreisindex
2019            100                             100
2020            101,1                          100,5
2021            102,3                          103,6
2022            104,1                          110,7

Je nachdem, wie die offensichtlich geplante Inflationsausgleichsprämie sich begründen lässt, wird sich bei einer Prognose von um rund sechs % anziehenden Verbraucherpreisen 2023 die Differenz zwischen den beiden Werten ggf. noch einmal vergrößern - insbesondere in den höheren Besoldungsgruppen.
Hier gehst du aber laut dem Urteil zu kurz.
"Du" musst laut dem Urteil die letzten 15 Jahre für der Klage prüfen wie sich die Gehälter und die Inflation entwickelt hat und wenn nach den 15 Jahren die Inflation um 5% oder mehr gestiegen ist als die Löhne, dann kann das auf eine Unteralimentation hindeuten.
Die 15 Jahre sind aber zwingend um Ausreißer auszugleichen.

Zitat von der Seite.
2022:     +1,8% 6,9%
2021:   +1,2% 3,1%
2020:    +1,06% 2,0%
2019:    +3,09% 1,4%
2018:    +2,99% 1,8%
2017:    +2,35% 1,5%
2016:    +2,2% 0,5%
2015:    +2,2% 0,5%
2014:    +2,8% 1,0%
2013b:    +1,2% 1,5%
2013a:    +1,2%
2012b:    +3,3% 1,9%

Somit sind die Löhne seit 2012 (ältere Werte habe ich auf die schnelle nicht gefunden) um 23,59% gestiegen, die Inflation dagegen "nur" um 22,1%.
Durch die 5% die das BVerfG hier zugesteht können wir selbst eine Nullrunde haben und die Inflation um 6,5% steigen und es wäre gerade noch so verfassungskonform. (Wohl gemerkt, wenn die 5 Jahre davor die Löhne nicht schneller gestiegen sind, als die Inflation, sonst sieht es noch "düsterer" aus.

Edit: Mittlerweile habe ich das Urteil zur Hälfte durchgelesen.
Ich kann ehrlich gesagt gar nicht verstehen was der Richterbund so an dem Referentenentwurf "auszusetzen" hat.
Für mich sieht das eher so aus, als ob die fast das komplette Urteil in den Referentenentwurf eingearbeitet haben.

Auch hier mal.
RN61: Zitat:" Eine an Wohnsitz oder Dienstort anknüpfende Abstufung ist mit dem Alimentationsprinzip vereinbar, sofern sie sich vor Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigen lässt (vgl. BVerfGE 107, 218 <238, 243 ff.>; 117, 330 <350 f.>). Mit den Mietenstufen des Wohngeldgesetzes, denen alle Kommunen entsprechend den örtlichen Verhältnissen des Mietwohnungsmarktes zugeordnet sind, stünde ein leicht zu handhabendes Kriterium bereit. "

Genau das ist ja was viele hier monieren, aber genau dies haben unsere Verfassungsrichter vorgeschlagen.

Wie ich ja (s. das Zitat ganz oben) selbst gesagt hatte, betrachte ich aus Zeitgründen nicht den gesamten Zeitraum, der also mit dem Basisjahr 2007 die Jahre von 2008 bis 2022 zu betrachten hätte. Hier wird man nach der Methodik des Bundesverfassungsgerichts zunächst feststellen, dass die absoluten Werte in jenen 15 Jahren keine Vermutung einer verfassungswidrigen Unteralimentierung indizieren (nebenbei: wenn der Verbraucherpreisindex 5 p% oberhalb des Indexwertes der erhöhten Besoldung läge, wäre das nicht verfassungswidrig, wie Du annimmst, sondern indizierte das die Vermutung einer verfassungswidrigen Unteralimentation). Allerdings wäre dabei ebenso eine sog. Staffelprüfung zu beachten, die wiederum den vorauslaufenden fünfjährigen Zeitraum heranzuziehen hätte. Dabei wäre zu beachten, dass zwischen 2003 und 2007 durch die wiederholte Novellierung der Sonderzahlungsregelung ein deutlicher Einschnitt in die Besoldung vorgenommen worden ist. Darüber hinaus erfolgte zum 01.08.2004 noch einmal eine Besoldungserhöhung um 1,0 %, woraufhin dann zwischen 2005 und 2007 keine Anhebung der Besoldung mehr erfolgt ist. Erst zum 01.08.2008 erfolgte wiederum eine Besoldungserhöhung um 3,1 %. Und schließlich sieht das Bundesverfassungsgericht regelmäßig keine "Spitzausrechnung" der Parameterwerte vor, lässt diese aber insbesondere, wenn die Frage einer verfassungswidrigen Unteralimentation im Raum steht, durchaus zu, sofern damit die Indizierung präzisiert werden kann (vgl. bspw. in der aktuellen Entscheidung die Rn. 127 und 164 - weiterhin nebenbei: Bei der Entscheidung handelt es sich um einen Beschluss, nicht um ein Urteil). Entsprechend könnte gleichfalls beachtet werden, dass ab 2014 grundsätzlich nur sog. unterjährige Besoldungsanpassungen vollzogen worden sind. Die nominalen Besoldungserhöhungen waren real also wiederkehrend deutlich geringer. All das wäre im Zuge der Gesamtbetrachtung, spätestens aber in der Gesamtabwägung zu beachten. Dabei bliebe gleichfalls zu beachten - wie ich es in den letzten Tagen hier skizziert habe -, dass auch dieser Parameter nur ein (gerichtliches) Prüfinstrument ist und dass er darüber hinaus nicht isoliert zu betrachten ist, um zu einer sachgerechten Kontrolle zu gelangen.

Ich finde es immer gut (das soll nicht ironisch gemeint sein, sondern genauso, wie ich das schreibe), wenn sich jemand vertieft in die Materie einarbeitet; denn das musste ich ja ebenfalls, als ich angefangen habe, mich mit dem Thema zu beschäftigen. Du wirst allerdings wirklich substanzielle Aussagen erst machen können, wenn Du nicht nur die gesamte Entscheidung mindestens einmal gelesen haben wirst, sondern wenn Du Dich mit der sog. Besoldungsdogmatik des Bundesverfassungsgerichts als Ganze, die es mit der Einleitung seines Rechtsprechungswandels ab dem Jahr 2012 entwickelt hat, beschäftigen wirst - auch wirst Du feststellen, dass Du eine Entscheidungsbegründung erst wirklich im Zuge mehrfachen Lesens - im Kontext der weiteren Entscheidungen, die die Dogmatik mit ausformen - durchdringen wirst und dann erst ermessen kannst, wie komplex und tiefgehend solche Entscheidungen tatsächlich sind. Denn eine Entscheidungsbegründung fußt eben auf der jeweiligen Dogmatik, die wiederum in den Querverweisen des Bundesverfassungsgerichts auf seine bisherigen Entscheidungen zu finden (und die zu beachten) ist. Denn auch das Themengebiet des Besoldungsrechts kann verfassungsrechtlich nicht isoliert betrachtet werden, da es - nicht zuletzt in der Betrachtung von Grundrechten - über die grundrechtsgleichen Rechte von Beamten, wie sie sich aus dem Art. 33 Abs. 5 GG ergeben, deutlich hinausgreift. Denn wir bleiben als Beamte dennoch immer auch zum Glück noch Staatsbürger, auch wenn wir uns als Beamte in einem Sonderrechtsverhältnis befinden.

Ergo: Ich würde mir eher nicht zutrauen, eine sachlich komplexe Betrachtung des DRB zu kritisieren, wenn ich mich in ein Rechtsgebiet nicht wirklich tiefgehend eingearbeitet hätte. Denn nachdem Du die aktuelle Entscheidungsbegründung noch nicht einmal vollständig durchgelesen hast, wirst Du die Komplexität der Kritik kaum durchdringen können, die der DRB auch hinsichtlich der zu erwartenden gerichtlichen Prüfung und mit Blick auf die Entscheidung vom 24.01.2023 - 2 BvF 2/18 - getätigt haben dürfte, wobei vermutlich vorausgesetzt werden kann, dass die Bundesregierung diesen letzten Halbsatz bislang kaum auf dem Schirm haben dürfte, also nicht verstanden haben dürfte, wieso der DRB nun auf einmal eine solch dezidierte Kritik innerhalb des Beteiligungsverfahrens vollzogen hat.

Meine Kritik soll nicht böse gemeint sein - wenn Du willst, nenne ich Dir mal ein wenig Literatur, mittels derer Du Dich in die Materie - die sowohl juristisch als auch politisch sehr interessant ist - einarbeiten kannst.

DeepBlue

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5762 am: 27.04.2023 11:17 »
Denn ebenso zeigt ja der dritte Parameter allein schon wegen der seit 2020 vollzogenen Entwicklungen deutlich in eine Richtung, ohne dass ich hier jetzt aus Zeitründen den gesamten 15-jährigen Zeitraum betrachte:

            Besoldungsindex         Verpraucherpreisindex
2019            100                             100
2020            101,1                          100,5
2021            102,3                          103,6
2022            104,1                          110,7

Je nachdem, wie die offensichtlich geplante Inflationsausgleichsprämie sich begründen lässt, wird sich bei einer Prognose von um rund sechs % anziehenden Verbraucherpreisen 2023 die Differenz zwischen den beiden Werten ggf. noch einmal vergrößern - insbesondere in den höheren Besoldungsgruppen.
Hier gehst du aber laut dem Urteil zu kurz.
"Du" musst laut dem Urteil die letzten 15 Jahre für der Klage prüfen wie sich die Gehälter und die Inflation entwickelt hat und wenn nach den 15 Jahren die Inflation um 5% oder mehr gestiegen ist als die Löhne, dann kann das auf eine Unteralimentation hindeuten.
Die 15 Jahre sind aber zwingend um Ausreißer auszugleichen.

Zitat von der Seite.
2022:     +1,8% 6,9%
2021:   +1,2% 3,1%
2020:    +1,06% 2,0%
2019:    +3,09% 1,4%
2018:    +2,99% 1,8%
2017:    +2,35% 1,5%
2016:    +2,2% 0,5%
2015:    +2,2% 0,5%
2014:    +2,8% 1,0%
2013b:    +1,2% 1,5%
2013a:    +1,2%
2012b:    +3,3% 1,9%

Somit sind die Löhne seit 2012 (ältere Werte habe ich auf die schnelle nicht gefunden) um 23,59% gestiegen, die Inflation dagegen "nur" um 22,1%.
Durch die 5% die das BVerfG hier zugesteht können wir selbst eine Nullrunde haben und die Inflation um 6,5% steigen und es wäre gerade noch so verfassungskonform. (Wohl gemerkt, wenn die 5 Jahre davor die Löhne nicht schneller gestiegen sind, als die Inflation, sonst sieht es noch "düsterer" aus.

Edit: Mittlerweile habe ich das Urteil zur Hälfte durchgelesen.
Ich kann ehrlich gesagt gar nicht verstehen was der Richterbund so an dem Referentenentwurf "auszusetzen" hat.
Für mich sieht das eher so aus, als ob die fast das komplette Urteil in den Referentenentwurf eingearbeitet haben.

Auch hier mal.
RN61: Zitat:" Eine an Wohnsitz oder Dienstort anknüpfende Abstufung ist mit dem Alimentationsprinzip vereinbar, sofern sie sich vor Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigen lässt (vgl. BVerfGE 107, 218 <238, 243 ff.>; 117, 330 <350 f.>). Mit den Mietenstufen des Wohngeldgesetzes, denen alle Kommunen entsprechend den örtlichen Verhältnissen des Mietwohnungsmarktes zugeordnet sind, stünde ein leicht zu handhabendes Kriterium bereit. "

Genau das ist ja was viele hier monieren, aber genau dies haben unsere Verfassungsrichter vorgeschlagen.

Ging es nicht auch grundsätzlich darum das die unterste Besoldungsstufe einen Mindestabstand zur Grundsicherung/Bürgergeld haben muss? Dementsprechend ist das doch das Zünglein an der Waage und nicht die rückwirkend betrachtete Besoldung/Inflation der letzten 15 Jahre?

Alexander79

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5763 am: 27.04.2023 11:34 »
Ergo: Ich würde mir eher nicht zutrauen, eine sachlich komplexe Betrachtung des DRB zu kritisieren, wenn ich mich in ein Rechtsgebiet nicht wirklich tiefgehend eingearbeitet hätte.

Falls das falsch rübergekommen ist, kritisieren will ich da gar nichts. Nichts und niemanden.
Ansonsten entschuldige ich mich in aller Form.

Ich will den DRB auch nichts unterstellen, aber es liegt in der Natur der Sache das sie so einen Entwurf kritisieren, wenn er finanziell nicht so stark ausfällt, wie man selbst gerne hätte.

Und wie gesagt, bitte nicht falsch auffassen.
Bei Urteilen gerade in solchen Fällen habe ich höchsten Respekt vor den Richtern, wenn sie hier ein unabhängiges Urteil fällen, denn es geht ja auch um ihre Besoldung.

wenn Du willst, nenne ich Dir mal ein wenig Literatur, mittels derer Du Dich in die Materie - die sowohl juristisch als auch politisch sehr interessant ist - einarbeiten kannst.
Das Angebot nehme ich mal dankend an.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5764 am: 27.04.2023 14:15 »
Du musst Dich nicht entschuldigen, Alex - wir haben ja zum Glück Meinungsfreiheit in Deutschland.

Einen jeweils klugen Einstieg in das Thema - wenn auch aus der Zeit vor der aktuellen Entscheidung - bieten (hier findest Du über die schlüssige Betrachtungen von Rentenonkel hinaus präzise Zusammenfassungen, PolareuD, bei Färber nicht zuletzt in tabellarischer Form):


- Monika Böhm, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Beamtenbesoldung, ZBR 2018, S. 222 ff.

- Gisela Färber, Ökonomische Aspekte einer verfassungskonformen Gestaltung von Besoldung und Versorgung, ZBR 2018, S. 228 ff.


Die sechs maßgeblichen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ab seinem 2012 eingeleiteten Rechsprechungswandel finden sich hier; im Anschluss an jede Entscheidung führe ich etwas Literatur aus, die die jeweilige Entscheidung betrachtet:


- BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 14. Februar 2012 - 2 BvL 4/10 - (https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2012/02/ls20120214_2bvl000410.html)
Isabel Schübel-Pfister, Additiv, alimentativ, attraktiv: Das "Triple A" der Besoldung von Professoren und anderer Beamtengruppen im Lichte des Alimentationsprinzips, in: Becker/Lange (Hrsg.), Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, erörtert von den wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Bd. 3, 2014, S. 269 (274 f., 289 ff.).

- BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 05. Mai 2015 - 2 BvL 17/09 -, https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2015/05/ls20150505_2bvl001709.html
- BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 17. November 2015 - 2 BvL 19/09 -, https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2015/11/ls20151117_2bvl001909.html
Josef Franz Lindner, Besoldung und "Schuldenbremse" - Analyse der neuen Dogmatik des BVerfG zum Alimentationsprinzip, VBl. 2015, S. 801 ff.
Arne Pilniok, Die Dogmatik des Alimentationsprinzips zwischen Kontinuität und Innovation: Anmerkungen zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Richterbesoldung, ZBR 2015, S. 361 ff.
Timo Hebeler, Die verfassungsrechtlichen Maßstäbe für die Beamtenbesoldung nach der Richterbesoldungsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts - Eine kritische Würdigung, in: ZBR 2015, S. 289 ff.
Martin Stuttmann, BVerfG zur A-Besoldung: Die Besoldung aller Beamtengruppen muss angehoben werden, NVwZ 2016, S. 184 ff.
Markus Jerxen, Besoldungsfragen vor dem Bundesverfassungsgericht, in: Fabian Scheffczyk, Kathleen Wolter (Hrsg.): Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, erörtert von den wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Bd. 4, 2016, S. 343 (344 ff.).

BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 23. Mai 2017 - 2 BvR 883/14 -, https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2017/05/rs20170523_2bvr088314.html
Arno Wieckhorst, Die Begründungspflicht des Besoldungsgesetzgebers als zahnloser Tiger, DÖV 2021, S. 361 (364).

BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 16. Oktober 2018 - 2 BvL 2/17 -, https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2018/10/ls20181016_2bvl000217.html
Josef Franz Lindner, Die "zweite Säule" des Alimentationsprinzips - zur Begründungspflicht des Besoldungsgesetzgebers, ZBR 2019, S. 83 ff.

BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 04. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 -, https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/05/ls20200504_2bvl000418.html
Martin Stuttmann, Die Besoldungsrevolution des BVerfG, Der Mindestabstand zum Grundsicherungsniveau, NVwZ-Beilage 2020, S. 83 ff.
Torsten Schwan, Neue bundesverfassungsgerichtliche Direktiven für die Besoldungsdogmatik und ihre Folgen für das zukünftige Alimentationsniveau, DÖV 2021, S. 368 ff.
Alexia Tepke/Andreas Becker, Goldene Besoldungszeiten nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts von Mai 2020 zur Mindest- und Familienalimentation?, ZBR 2022, S. 145 ff.

Wenn Du die Beiträge systematisch durcharbeitest und dabei also zugleich die jeweiligen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Hand nimmst, wirst Du ein erstes sauberes Fundament haben, auf dem sich sachlich aufbauen lässt. Dabei gilt es zu beachten, dass erst die letztgenannten Beiträge auch die aktuelle Entscheidung, insbesondere hinsichtlich der direktiven Klarstellungen, die diese Entscheidung beinhaltet, in den Blick nehmen konnten.

@ DeepBlue

Die Mindestalimentation hat in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Art "Zwitterstellung": Während die anderen Parameter der ersten Prüfungsstufe eine ausnahmslos indizielle Bedeutung haben ("indiziell" meint, die Parameter erfüllen ausschließlich eine Funktion im (gerichtlichen) Prüferverfahren), hat die Mindestalimentation sowohl eine indizielle als auch eine materielle Funktion (dazu erscheint wie gesagt im Juni-Heft der ZBR ein Beitrag, der die systematischen Zusammenhänge der beiden Abstandsgebote in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in den Blick nimmt):

- Die Mindestalimentation beinhaltet in seiner materiellen Funktion das Rechtsgut, das vom absoluten Alimentationsschutz umfasst ist und in das folglich keine Einschnitte möglich sind; sie liegt 15 % oberhalb des Grundsicherungsniveau. Sobald in der niedrigsten Besoldungsgruppe und Erfahrungsstufe die Mindestalimentation überschritten ist, ist ihre indizielle Funktion gegeben: In diesem Fall liegt ein Indiz für eine verfassungskonforme Alimentation vor. Wird sie in der niedrigsten Besoldungsgruppe und Erfahrungsstufe unterschritten, liegt kein Indiz für eine verfassungswidrige Alimentation vor, sondern dann ist wegen des Einschnitts in den vom absoluten Alimentationsschutz umfassten Gehalt der Alimentation materiell eine Unteralimentation gegeben, die zwangsläufig zur Verfassungswidrigkeit der Norm führt.

- Das bundesverfassungsgerichtliches Prüfpendant zur Mindestalimentation ist die Mindestbesoldung, die das Bundesverfassungsgericht in der letzten Entscheidung als indiziellen Parameter in die erste Prüfungsstufe eingeflochten hat, ohne dass das bislang von irgendeinem der Besoldungsgesetzgeber sachlich hinreichend beachtet worden wäre - genau um die Folgen dieser Nicht-Beachtung eines zentralen Prüfkriteriums wird es in dem genannten ZBR-Beitrag im Juni gehen, womit dann zugleich der Zusammenhang von materiellen Rechtsgütern und prozeduralen Anforderungen in den Blick gerät, wie ihn das Bundesverfassungsgericht in seiner letzten Entscheidung systematisch in den Blick genommen hat. Da das Bundesverfassungsgericht seine Aufgabe nicht darin sieht, den Besoldungsgesetzgeber mitsamt seiner kundigen Fachleute mit der Nase auf eindeutige Direktiven zu stupsen, muss man die aktuelle Entscheidung gewissenhaft lesen und das Ergebnis in den Kontext der bislang erstellten Dogmatik stellen, um die offensichtlich weitreichenden Folgen zu erkennen, die aus diesem Prüfparameter resultieren. Dass sie diese weitreichenden Folgen hinreichend erkannt hätten, dafür hat bis heute weiterhin kein Besoldungsgesetzgeber eine schlüssige Darlegung erstellt.

Dadurch dass die Besoldungsgesetzgeber also die Begründung ihrer Gesetzgebung in den letzten knapp drei Jahren wiederholt vor allem auf das Mindestabstandsgebot verkürzt, dieses aber dabei bislang nicht hinreichend durchdrungen haben, dürfte vieles dafür sprechen, dass sie mindestens die sie treffenden prozeduralen Anforderungen verfehlt haben werden. Ein entsprechenden Ausblick in ggf. mögliche Folgen finden sich hier: https://www.berliner-besoldung.de/wp-content/uploads/2023/03/Weitere-Normenkontrollantraege-vor-der-Entscheidung-5.pdf

PolareuD

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« Antwort #5765 am: 27.04.2023 14:24 »
Vielen Dank @ Swen und Rentenonkel

Kaldron

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5766 am: 27.04.2023 14:58 »
Manchmal frage ich mich, wieviele Frau-/Mannstunden für diese Thematik sowohl in den Ministerien in Bund und Ländern auf Referenten-/Leitungsebene als auch bei den Beamten selbst in Diskussionen, Einlesen in die Thematik etc. sowie die Rechtsstreite aufgewandt wurden und ob es nicht einfacher und auch kostengünstiger gewesen wäre, eine sichere Besoldungsgesetzgeber seitens der Alimentierer herauszubringen, die dann auch mal 5 Jahre plus Bestand hat (die üblichen Erhöhungen mal ausgenommen).

Knecht

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5767 am: 27.04.2023 15:29 »
Manchmal frage ich mich, wieviele Frau-/Mannstunden für diese Thematik sowohl in den Ministerien in Bund und Ländern auf Referenten-/Leitungsebene als auch bei den Beamten selbst in Diskussionen, Einlesen in die Thematik etc. sowie die Rechtsstreite aufgewandt wurden und ob es nicht einfacher und auch kostengünstiger gewesen wäre, eine sichere Besoldungsgesetzgeber seitens der Alimentierer herauszubringen, die dann auch mal 5 Jahre plus Bestand hat (die üblichen Erhöhungen mal ausgenommen).

Diese Frage könnte man an vielen Stellen stellen, ich denke hier nur mal an die Bearbeitung von Reisekosten... Nur: was sollen die ganzen Leute denn dann machen? ;)

lotsch

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« Antwort #5768 am: 27.04.2023 15:38 »
Manchmal frage ich mich, wieviele Frau-/Mannstunden für diese Thematik sowohl in den Ministerien in Bund und Ländern auf Referenten-/Leitungsebene als auch bei den Beamten selbst in Diskussionen, Einlesen in die Thematik etc. sowie die Rechtsstreite aufgewandt wurden und ob es nicht einfacher und auch kostengünstiger gewesen wäre, eine sichere Besoldungsgesetzgeber seitens der Alimentierer herauszubringen, die dann auch mal 5 Jahre plus Bestand hat (die üblichen Erhöhungen mal ausgenommen).

Das habe ich mir auch schon gedacht, insbesondere deshalb, weil die Beamtenbesoldung eigentlich dafür gedacht ist, dass der Beamte sich mit voller Hingabe seinen Aufgaben widmen kann. Tatsächlich ist es so, dass der Beamte sich mehr um seine Besoldung kümmern muss, wozu er ja auch verpflichtet ist, als um seine Aufgaben.

BWBoy

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« Antwort #5769 am: 27.04.2023 15:46 »
Manchmal frage ich mich, wieviele Frau-/Mannstunden für diese Thematik sowohl in den Ministerien in Bund und Ländern auf Referenten-/Leitungsebene als auch bei den Beamten selbst in Diskussionen, Einlesen in die Thematik etc. sowie die Rechtsstreite aufgewandt wurden und ob es nicht einfacher und auch kostengünstiger gewesen wäre, eine sichere Besoldungsgesetzgeber seitens der Alimentierer herauszubringen, die dann auch mal 5 Jahre plus Bestand hat (die üblichen Erhöhungen mal ausgenommen).

Das ist ne gute Frage. Die wäre bestens für Abgeordnetenwatch geeignet. Ich wäre wirklich auf die Antwort gespannt  ::)

maxg

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5770 am: 27.04.2023 20:38 »
(...)Einen jeweils klugen Einstieg in das Thema - wenn auch aus der Zeit vor der aktuellen Entscheidung - bieten (hier findest Du über die schlüssige Betrachtungen von Rentenonkel hinaus präzise Zusammenfassungen, PolareuD, bei Färber nicht zuletzt in tabellarischer Form):
(...) Ein entsprechenden Ausblick in ggf. mögliche Folgen finden sich hier: https://www.berliner-besoldung.de/wp-content/uploads/2023/03/Weitere-Normenkontrollantraege-vor-der-Entscheidung-5.pdf
Danke! Die Aufstellung ist wirklich mal "erschöpfend" (im doppelten Sinne) und der aktuelle Artikel bringt den Stand der rechtlichen Würdigungen zutreffend auf den Punkt. Dass jetzt auch das Pseudonym für mich aufgelöst ist, nehme ich gerne mal mit ;-)
Danke auch an PolareuD, der im Zusammenfassungs-Thread eine hilfreiche tabellarische Zusammenfassung gebracht hat, die zumindest mir die Herangehensweise vereinfacht!

In der ganzen sehr juristischen und aus aufeinander aufbauenden Entscheidungen hergeleiteten Diskussion bleibt m.E. mal ganz schlicht festzustellen:
Es ist eine Sauerei, dass überhaupt eingeklagt werden muss, dass ein Beamter in Vollzeit (was ja beim Bund 41 h pro Woche sind) mit dem Netto-Gehalt nach Krankenversicherung mindestens 15% über dem Grundsicherungs-Niveau herauskommt!

Rentenonkel

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« Antwort #5771 am: 28.04.2023 09:53 »
Um nochmal meinen Gedankengang aufzugreifen:

Die Übertragung des Tarifergebnisses auf die Beamten alleine würde natürlich nach wie vor keine verfassungsmäßige Besoldung herstellen. Das ist aufgrund der Tatsache, dass der Mindestabstand nicht gewahrt würde, absolut naheliegend.

Ich gehe allerdings davon aus, dass gleichzeitig auch das Gesetz zur Sicherstellung einer amtsangemessenen Besoldung durchgewunken wird. Durch die Alimentativen Ergänzungszuschläge wären die einzelnen Beamtengruppen in den Tabellen weiter zu differenzieren, was die Betrachtung nicht einfacher macht. Somit dürften der Wert insbesondere bei der vierköpfigen Eckbeamtenfamilie der Besoldungsindex höher sein als in der Vergangenheit und somit auch höher sein, als in den vorherigen Posts dargestellt.

Da alle Besoldungsgesetzgeber versuchen, eine amtsangemessene Besoldung allein durch Zuschläge für Kinder und / oder Mietenstufe zu erreichen,  ist es, wie bereits mehrfach und detailliert von Swen ausgeführt, durchaus fraglich, ob sich die Besoldungsgesetzgeber allein dieses Instrument zu eigen machen dürfen oder aber ob es quasi für den kleinsten, kinderlosen Beamten in Mietenstufe I eine Mindestbesoldung geben muss, auf die die Tabelle dann entsprechend aufbaut. Auch ist unklar, welchen Umfang solche Besoldungsbestandteile haben dürfen, ohne den Kern der absoluten, amtsangemessenen Besoldung für alleinstehende Beamte zu berühren.

Die Umsetzung der bisherigen Rechtsprechung stürzt sich alleine darauf, den Beamten mit den zwei Kindern gerade noch ausreichend zu alimentieren, um möglichst centgenau über die Hürde der 15 % zur Grundsicherung zu hüpfen. Dabei verlieren die Besoldungsgesetzgeber aus meiner Sicht aber das Amt als zentralen Ausgangspunkt für die Besoldung aus den Augen.

Es wird daher interessant, in welchem Umfang das BVerfG in den anstehenden Entscheidungen solche Auswüchse wie Alimentativer Ergänzungszuschlag zulässt und welche Mindestbesoldung (ohne jedwede Zuschläge) gerade noch als amtsangemessen angesehen werden darf.

Brian Blake

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5772 am: 28.04.2023 10:02 »
Ich vermute, dass man das TarifErgebnis aufspalten wird und kurzfristig nur die Inflationsprämie per Gesetz durchwinkt. Für die prozentuale Erhöhung hat man dann Zeit bis Anfang 2024 und auch für das Inkrafttreten des Alimentationsgesetzes ist der ZielHorizont aktuell wohl eher der 1.1.2024. ich hoffe trotzdem, dass es vielleicht noch vor der Sommerpause ins Kabinett kommt, kann es mir aber nicht so recht vorstellen.

Warzenharry

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« Antwort #5773 am: 28.04.2023 10:06 »
@ SwenTanortsch ich habe dir gerade mal eine PN zu deinerAntwort #5764 am: 27.04.2023 14:15 geschrieben.

Hab ich recht? :D

lotsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #5774 am: 28.04.2023 10:46 »
Auch die Berechnung der Grundsicherung für den Vergleich beim Mindestabstandsgebot wird immer verwirrender. Schaut euch z.B. mal die freiwilligen sozialen Leistungen der Stadt München an, die über die gesetzlichen sozialen Leistungen hinaus gehen:
Unter bestimmten Voraussetzungen können Münchner Bürger*innen Hilfen durch das Sozialreferat erhalten, die über die gesetzlichen Leistungen hinausgehen.
https://stadt.muenchen.de/infos/freiwillige_leistungen.html