Der tiefgreifende Konflikt zwischen zwei Verfassungsorganen in unserem Thema schwelt seit spätestens 2012, als der Zweite Senat dem Besoldungsgesetzgeber zum ersten Mal in seiner Rechtsprechung umfangreiche Begründungspflichten auferlegte, was bei nicht wenigen von ihnen zu Unverständnis geführt hat. Seitdem hat der Zweite Senat den weiten Entscheidungsspielraum, über den der Besoldungsgesetzgeber verfügt, in zwei Judikaten im Jahr 2015 sowie danach in zwei weiteren Judikaten 2017 und 2018 zunehmend eingeengt, um mit seiner letzten Grundsatzentscheidung in der Betrachtung des Mindestabstandsgebots 2020 endgültig zu den Konsequenzen zu gelangen, von denen Peter Müller spricht. Damit reagiert der Senat auf den sich seit 2006 mehr und mehr vollziehenden Qualitätsverfalls des Besoldungsrecht (der Qualitätsverfall ist ein generelles und über das Besoldungsrecht hinausgreifendes Phänomen, wie es Bundi gerade auch anspricht, das nicht zuletzt mit der Verrechtlichung der Politik zu tun hat, dass also die Anzahl an rechtlichen Regelungen in den letzten rund 30 Jahren stark zugenommen hat, sodass zunehmend weniger Zeit für eine sachgerechte Prüfung im Gesetzgebungverfahren bleibt, und zwar unabhängig von den je spezifischen Interessen der die Gesetzgebung vorantreibenden Regierungen), um damit zugleich die Verrechtlichung der Politik zu verstärken, da Begründunggspflichten für sich genommen bereits zur Verringerung von politischen Freiheitsgraden führt.
Dabei stehen sich nun also zwei Verfassungsorgane gegenüber, die den Geltungsanspruch ihrer Darlegungen durchsetzen wollen, wobei Du mit der Ansicht, dem Bundesverfassungsgericht gehe es ebenfalls um die Beibehaltung niederiger Personalkosten m.E. daneben liegst, lotsch (die übrige Darlegung halte ich hingegen für schlüssig). Dem Zweiten Senat geht es um sachgerechte Kosten, d.h., es soll keine Überalimentation zulasten der öffentlichen Hand und damit keine Privilegierung der Beschäftigten des öffentlichen Dienst geschehen und zugleich keine verfassungswidrige Unteralimentation, da diese über kurz oder lang die Funktionsfähigkeit der staatlichen Gewalten gefährdet: Beide Problematiken sind vom Besoldungsgesetzgeber sachgerecht in den Bick zu nehmen, darauf weist der Senat ihn seit spätestens 2012 regelmäßig hin. Insofern sehe ich für Deinen hier dargelegten Pessimismus keine Grundlage. Das zeigt bspw. die gerade die Entscheidug vom 15. November über das Zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2021, die nicht in dieser sachlichen Deutlichkeit vollzogen worden wäre, wenn der Senat in dem von Dir dargelegten Sinne "staatstragend" wäre.
Peter Müller hat darüber hinaus ja auch einen Betrag genannt, um den seiner Meinung nach die Gehälter von Nachwuchskräften im Richteramt hinter denen in den privaten Kanzleien hinterherhinken würden: nämlich rund 40.000,- €. Nimmt man die von PolareuD in den Sammelthread eingestellten Beträge von 0xF09F9881 stellt man fest, dass man recht genau an diesen Betrag heranreicht, wenn man die - nur ein indizielles Vergleichsmaß wiedergebenden, also nicht zur Bemessung des materiellen Gehalts des zu gewährenden Besoldungsniveaus hinreichenden - Beträge entsprechend anwendet.
Denn ein nach R 1 alimentierter Richter im ersten Einstiegsamt wird im Bund heute exakt so besoldet wie ein nach A 13 besoldeter Bediensteter (vgl. die Besoldungstabellen unter
https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/bund?id=beamte-bund-2022&matrix=1). Zieht man nun die Daten aus dem Sammelthread zum Vergleich heran, dann stellt man fest, dass das entsprechende Besoldungsniveau um rund 37.000,- € zu gering bemessen ist. Damit ist es nun am Besoldungsgesetzgeber, aus diesen Vergleichsbeträgen seine Schlüsse zu ziehen. Dabei sehe ich weiterhin bislang kein Indiz dafür - auch nicht in den Darlegungen Peter Müllers -, dass der Senat in seinen anstehenden weiteren Grundsatzentscheidungen hinter seine bisherige Rechtsprechung zurücktreten wird. Denn damit würde er nicht nur in dem genannten Konflikt Signale an die legislative Gewalt senden, die in Anbetracht des generellen Qualitätsverfalls im Recht verheerend wären, sondern gleichfalls auch seine eigene Autorität beschädigen, indem er das seine Rechtsprechung durchgehend missachtende Handeln der Besoldungsgesetzgeber der letzten rund dreieinhalb Jahren indirekt legitimieren würde.
Ein solches Handelns des Senats halte ich für unwahrscheinlich. Denn die nicht zuletzt auf die nicht konkurrenzfähigen Gehälter zurückzuführenden Probleme des öffentlichen Dienst, qualifiziertes Personal zu gewinnen, liegen ja vor und die Pensionierungswelle, die Peter Müller ebenfalls benennt, schwillt zurzeit ja mehr und mehr an, sodass auch das dazu führt, dass eine sachgerecht begründete und also amtsangemessene Alimentation zu gewähren ist, um die Funktionsfähigkeit der staatlichen Gewalt hinreichend aufrechtzuerhalten - das nur umso mehr, als dass in den letzten Jahren nur umso vermehrt deutlich geworden ist, dass die Bundesrepublik wiederkehrend ein Umsetzungsproblem in seiner politischen Gestaltung hat, die bspw. zu deutlich zu langen Verfahrensdauer oder zum Verfall der Qualität im Bildungswesen führt, um nur zwei von deutlich mehr Problemfelder zu nennen.