Nun gut, nun bin ich einmal lesend durch den Text gestiegen (oder so). Der zentrale Satz der heute gefällten Entscheidung dürfte die zusammenfassende Feststellung sein:
"Im Rahmen der grundgesetzlichen Schuldenbremse und der Berechnung der zulässigen Neuverschuldung sind der Kernhaushalt und unselbständige Sondervermögen als Einheit zu betrachten. Eine kreditfinanzierte Zuführung an ein Sondervermögen kann deshalb – unbeschadet der buchungstechnischen Vorgehensweise – nicht von den Begrenzungen der staatlichen Kreditaufnahme für das jeweils betroffene Haushaltsjahr entbinden." (Rn. 182; Hervorhebungen durch ST.)
Dieser Grundsatz dürfte weitreichende Konsequenzen für die zukünftige Budgetierung insbesondere von Sondervermögen entfalten. Denn damit wird klargestellt, dass der Praxis von Sondervermögen enge Grenzen gesetzt ist, welche sich aus den ausführlich betrachteten Prinzipien der Jährlichkeit (der Haushalt muss im Jahresryhthmus regelmäßig verabschiedet werden), Jährigkeit (die Ermächtigung ist im Haushaltsplan an einem Geltungszeitraum gebunden) und Fälligkeit (nur die Einnahmen und Ausgaben dürfen im Haushaltsplan veranschlagt werden, die im Haushaltsjahr voraussichtlich kassenwirksam werden) ergeben (Rn. 157 ff.). Auf dieser Grundlage ist es nun am Haushaltsgesetzgeber, den Haushalt insbesondere in Ausnahmesituationen hinreichend nachvollziehbar und vertretbar zu machen, um vor der gerichtlichen Kontrolle bestehen zu können (Rn. 119). Denn "[a]nderenfalls könnte der Bund in Haushaltsjahren, in denen aus ganz bestimmten, zeit- und umstandsbezogenen Gründen Kreditaufnahmespielräume bestehen, diese Spielräume weit über den Bedarf hinaus wahrnehmen und notlagenbedingte Kreditermächtigungen für Zuführungen an Sondervermögen nutzen, um sie gleichsam 'anzusparen'. In späteren Jahren, für die die grundgesetzliche Schuldenbremse wiederum neue sach- und zeitgerechte eigenständige Vorgaben macht, könnte der Bund die so für die Zukunft nutzbar gemachten (ursprünglich) notlagenbedingten Kreditermächtigungen nach freiem Belieben einsetzen, ohne dass diese auf die Schuldenbremse angerechnet würden. Dem stehen Art. 109 Abs. 3, Art. 115 Abs. 2 GG entgegen, die es nicht zulassen, dass die notlagenbedingten Kreditermächtigungen und das Haushaltsjahr, in welchem die Notlage festgestellt wurde, staatsschuldenrechtlich durch buchhalterische Maßnahmen voneinander entkoppelt werden." (Rn. 183)
Gemessen an den - von mir verknappt - dargelegten Maßstäben bleibt die von der CDU/CSU-Fraktion angegriffene Regelung verfassungswidrig, da die in Frage stehenden Kreditmittel zur Bekämpfung der Folgen der Corona-Pandemie zwar verfassungskonform erstellt worden sind (Rn. 187 ff.). Die sich anschließende Übertragung über die Pandemie hinaus (der "Veranlassungszusammenhang zwischen der festgestellten Notsituation und den durch die notlagenbedingte Kreditaufnahme finanzierten Maßnahmen zur Krisenbewältigung") ist allerdings nicht ausreichend dargelegt worden (Rn. 195 ff.; vgl. insbesondere auch Rn. 206 ff. und besonders die Rn. 213 ff., die nun den Kontext der "Vorherigkeit" hinsichtlich eines Nachtragshaushalts in den Mittelpunkt stellen; hier dürfte der entsprechend enge Zusammenhang von "Fälligkeit" und "Vorherigkeit" hinsichtlich der Möglichkeiten eines Nachtragsshaushalts maßgeblich sein). Und hier nun ähnelt die Argumentation der zu den prozeduralen Anforderungen, die sich dem Besoldungsgesetzgeber stellen (die jedoch als prozedurale Anforderungen noch einmal deutlich über das hinausgehen, was sich dem Haushaltsgesetzgeber als Begründungspflicht darstellt, da in der Besoldungsgesetzgebung grundrechsgleiches Individualrecht zu beachten ist, was sich so in der Haushaltsgesetzgebung nicht darstellt - als Folge gehen die Begründungspflichten des Besoldungsgesetzgebers deutlich weiter als die des Haushaltsgesetzgebers): Die "Notwendigkeit der konkret ergriffenen Maßnahmen" stellt sich in der Gesetzesbegründung nicht als hinreichend dargelegt dar (Rn. 197 ff.; Hervorhebung durch ST.). Denn es wäre hier am Haushaltsgesetzgeber gewesen, konkret nachzuweisen, dass und wie die zur Bewältigung der Corona-Pandemie in den Haushalt eingestellten Finanzmittel nun hinsichtlich der geplanten Digitalisierungs- und Klimaschutzmaßnahmen zu verwenden wären, um also den Nexus zwischen den Folgen der Pandemie und deren Bewältigung anhand der entsprechenden Haushaltsmittel hinreichend zu präzisieren. Genau daran, dass dem nicht der Fall gewesen sei, hatte sich die Klage der CDU/CSU-Fraktion entzündet. Das Bundesverfassungsgericht gibt ihr hier nun umfassend Recht und bestätigt weitgehend deren Einwände.
Dabei findet sich hier ein Grundsatz, der ggf. auch für die Besoldungsrechtsprechung Bedeutung erlangen kann oder ggf. schon erlangt hat, wenn nämlich der Zweite Senat ausführt:
"Je länger die von ihm [dem Haushaltsgesetzgeber; ST.] diagnostizierte Krise anhält und je umfangreicher der Gesetzgeber notlagenbedingte Kredite in Anspruch genommen hat, desto detaillierter hat er die Gründe für das Fortbestehen der Krise und die aus seiner Sicht fortdauernde Geeignetheit der von ihm geplanten Maßnahmen zur Krisenbewältigung aufzuführen. Er muss insbesondere darlegen, ob die von ihm in der Vergangenheit zur Überwindung der Notlage ergriffenen Maßnahmen tragfähig waren und ob er hieraus Schlüsse für die Geeignetheit künftiger Maßnahmen gezogen hat. Dies gilt insbesondere dann, wenn notlagenbedingte Kreditmittel entgegen der ursprünglichen Haushaltsplanung und dem konstitutiven Beschluss nach Art. 115 Abs. 2 Satz 6 GG nicht oder nicht in voller Höhe benötigt worden sind." (Rn. 200)
Denn die sich hier abzeichnende Rechtsfigur kann man offensichtlich dem Grundsatz nach in etwa wie folgt auf die Begründungspflichten des Besoldungsgesetzgebers übertragen, vermute ich: Je länger eventuell nicht verfassungskonforme Einschnitte in die Besoldung vorgenommen werden (also sich eine begründende Vermutung darstellen lässt, dass solche Einschnitte nicht ohne Weiteres auszuschließen wären), desto detaillierte müsste nun der Besoldungsgesetzgeber die von ihm geplanten Maßnahmen darlegen und sie also sowohl auf ihre Geeignetheit als auch Verhältnismäßigkeit hin überprüfen, und zwar auch hinsichtlich der von ihm in der Vergangenheit ergriffenen Maßnahmen, um so hinreichend abwägend garantieren zu können, noch verhältnismäßig zu handeln. Dabei müsste ggf. auch hier die Tragfähigkeit der jeweiligen Maßnahmen mit ihrer fortdauernder Anwendung besonders in den Blick genommen werden, wobei hier zu beachten bliebe - denke ich -, dass 2021 der Nachweis für alle Besoldungsrechtskreise der Länder geführt worden ist, dass zwischen 2008 und 2020 ausnahmslos das Mindestabstandsgebot - und zwar weit überwiegend eklatant - verletzt worden ist, womit mindestens ein starkes Indiz für die Vermutung der Verfassungswidrigkeit der gewährten Alimentation auch der Besoldungsgruppen gegeben ist, die nicht unmittelbar von der Verletzung betroffen sind, während sich die von der Verletzung unmittelbar betroffenen Besoldungsniveaus so oder so als verfassungswidrig darstellen. Entsprechend darf man ggf. davon ausgehen, dass der Besoldungsgesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren - da ihn prozedural die Anforderung einer hinreichenden Prüfung auch der gewährten Besoldungshöhe trifft - nun seit spätestens dem Einsetzen des bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechungswandels neben der sich ihm stellenden Aufgabe der hinreichenden Konkretisierung der Begründung sich ebenso einer besondere Prüfung von Verhältnismäßigkeit und Geeignetheit der im Gesetzgebungsverfahren ergriffenen Maßnahmen ausgesetzt sehen dürfte, die entsprechend noch während des Gesetzgebungsverfahrens hinreichend zu dokumentieren wären - das jedenfalls hielte ich für nicht gänzlich unwahrscheinlich.