Autor Thema: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)  (Read 3905257 times)

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #11625 am: 30.03.2024 11:06 »
Vielen Dank, Swen, für deine Ausführungen. Ich stelle für mich fest, dass mein Prozess des Verständnisses der Thematik immer noch nicht abgeschlossen ist.

Anbei nochmals ein Beleg für eine unzulässige Ungleichbehandlung:

https://www.sueddeutsche.de/muenchen/landkreismuenchen/taufkirchen-wohngeld-beamtenbesoldung-resolution-1.6090199

Gern geschehen, PolareuD, das geht uns allen - also auch mir - so: Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist, weil sie grundsätzlich als Ganze zu betrachten ist, ein solch tiefschürfendes Unterfangen, dass man in ihrer Betrachtung nie an ein Ende kommt.

Und das von Dir verlinkte Beispiel ist genau das, was ich am Ende unter der Nummer 2 fasse. So weisen bspw. die Gemeinden Ober- und Unterhachingen oder Ottobrunn allesamt die Mietenstufe VII aus, während die Gemeinde Taufkirchen wie im Beitrag dargelegt die Mietenstufe II zugewiesen bekommen hat (vgl. https://www.bmwsb.bund.de/SharedDocs/downloads/Webs/BMWSB/DE/veroeffentlichungen/wohnen/wohngeld-2023/mietstufen-2023.pdf?__blob=publicationFile&v=6). Diese Mietenstufen werden nun vom Besoldungsgesetzgeber mit folgendem Ergebnis den sieben Ortsklassen zugrunde gelegt, mit denen in Bayern die Besoldung differenziert wird:

Ein verheirateter Beamter mit zwei Kindern, der nach A 3/2 besoldet wird, erhält in der Ortsklasse II eine monatliche Bruttobesoldung von 3.105,36 € (https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/by?id=beamte-bayern&g=A_3&s=0&f=K2&mst=II&zulageid=10.1&z=100&zulage=&stkl=1&r=0&zkf=2), während derselbe Beamte in der Ortsklasse VII 3.390,57 € erhält (https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/by?id=beamte-bayern&g=A_3&s=0&f=K2&mst=VII&zulageid=10.1&z=100&zulage=&stkl=1&r=0&zkf=2), also eine monatlich um 285,21 € bzw. 9,2 % höhere Besoldung, ohne dass ein sachlicher Grund vorliegt, der diesen Unterschied rechtfertigen könnte. Hierin zeigt sich bereits eine Ungleichbehandlung, die sich vor der sog. "neuen" Formel des Bundesverfassungsgerichts nicht rechtfertigen lässt, die besagt, dass ein Gleichheitsgrundrecht "vor allem dann verletzt [ist], wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten" (zitiert nach Angelika Nußberger in: Michael Sachs (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, 8. Aufl. 2018, Art. 3, Rn. 13). Das Gleichheitsgrundrecht des betreffenden Musterbeamten, der nach der Ortsklasse für Taufkirchen besoldet wird, zeigt sich hier nach Art. 3 Abs. 1 GG als entsprechend evident verletzt, und zwar als Folge der nicht realitätsgerechten Betrachtung der sieben Ortsklassen auf Basis der Mietenstufen des Wohngeldgesetzes.

Ein entsprechend nach A 4/2 besoldeter Beamter erhält darüber hinaus in der Ortsklasse II eine monatliche Bruttobesoldung in Höhe von 3.168, 82 (- 6,5 %; https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/by?id=beamte-bayern&g=A_4&s=0&f=K2&mst=II&zulageid=10.1&z=100&zulage=&stkl=1&r=0&zkf=2), in der Besoldungsgruppe A 5/2 3.204,86 € (- 5,5 %; https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/by?id=beamte-bayern&g=A_5&s=0&f=K2&mst=II&zulageid=10.1&z=100&zulage=&stkl=1&r=0&zkf=2), in der Besoldungsgruppe A 6/2 3.272,52 € (- 3,5 %; https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/by?id=beamte-bayern&g=A_6&s=0&f=K2&mst=II&zulageid=10.1&z=100&zulage=&stkl=1&r=0&zkf=2) und in der Besoldungsgruppe A 7/2 3.379,53 € (- 0,3 %; https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/by?id=beamte-bayern&g=A_7&s=0&f=K2&mst=II&zulageid=10.1&z=100&zulage=&stkl=1&r=0&zkf=2). Entsprechend liegt hier sowohl ein elementarer Verstoß gegen das Leistungsprinzip als auch damit verbunden gegen das Abstandsgebot zwischen vergleichbaren Besoldundgruppen vor. Denn hier wird selbst noch einem um fünf Besoldungsgruppen höher eingruppierten Beamten ein niedrigeres Besoldungsniveau gewährt als dem genannten Musterbeamten. So verstanden zeigen sich ebenfalls Art. 33 Abs. 2 GG und Art. 33 Abs. 5 GG durch die Regelung, die Ortsklassen zur Besoldungsdifferenzierung direkt an die Mietenstufen des Wohngeldgesetzes zu binden, als evident verletzt. Die bayerische Regelung zur Besoldungsdifferenzierung anhand von Ortsklassen muss entsprechend als verfassungswidrig betrachtet werden, da die genannte Evidenz kein anderes Urteil zulassen kann.

@ BVerfGBeliever und lotsch

Eure Darlegungen verstärken darüber hinaus die von mir gerade vollzogene Betrachtung. Denn sofern nicht bereits so schon eine evidente Verletzung der genannten Grundrechte bzw. des grundrechtsgleichen Rechts gegeben wäre, müsste nun eine entsprechende Verhältnismäßigkeitsprüfung vollzogen werden. Die Kritik des DRB zielt zugleich in dieselbe Richtung wie meine gerade vollzogene Betrachtung und sieht deshalb ebenfalls eine offensichtliche Verletzung des Leistungs- und Alimentationsprinzips als gegeben an.

Pendler1

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #11626 am: 30.03.2024 12:09 »
" ... eine offensichtliche Verletzung des Leistungs- und Alimentationsprinzips als gegeben an. ... "

So, ich musste mal vor vielen Jahrzehnten lernen "Eignung, Befähigung und fachliche Leistung". 33/2 Grundgesetz.

Vielleicht gilt das nicht mehr?

Aber egal, wer kümmert sich schon um das Grundgesetz, wenn es dem Staat Geld kosten würde?😁

Und wenn das "Besoldungsproblem" in den vielen anderen abzuarbeitenden Problemen "untergeht" und den Bürger/Wähler nicht juckt?

Tom1234

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #11627 am: 31.03.2024 06:21 »
Vielen Dank für deine Ausführungen, Swen. Denen folgend würde vieles (für mich) für einen (Orts-)zuschlag nach dem Dienstsitz sprechen. Zudem müsste zumindest für alle eine Grundbesoldung  in der Höhe gewährt werden, dass bei Wohngeldstufe 1 keine Zuschläge für eine vierköpfige Familie gewährt werden müssten. (Dilemma für den Dienstherren - dafür reichen die veranschlagten Haushaltsmittel nicht.)
Herr Lindner beabsichtigt noch in diesem Jahr die Erhöhung der Grundfreibeträge, da das Bürgergeld überproportional gestiegen ist, so gestern in den Nachrichten. Somit mehr Netto vom Brutto und Entspannung für alle 17 Rechtskreise, sodass eine amtsangemessenen Alimentation zumindest für Beamte (deren Dienststelle) welche in Bezirken der Wohngeldstufe 1 befindlich sind, haushaltärisch eher realisierbar erscheint.  Vielleicht war das auch der Punkt der Einsparungen i.H.v. 150 Mio. und begründet die Verzögerungsspiele.

Tom1234

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #11628 am: 31.03.2024 06:40 »
Was würde denn eine Vergleichsberechnung an einem Standort der Wohngeldstufe 1 ergeben?

PolareuD

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #11629 am: 31.03.2024 07:23 »
Jedwede Zulage ist in ihrer Höhe nur begrenzt zulässig. Die amtsangemessene Alimentation ist daher primär über die Höhe der Grundbezüge zu bemessen. Da inzwischen 68 von 112 Tabellenfelder als indiziell verletzt betrachtet werden können, wird es ohne eine signifikante Erhöhung der Grundbezüge nicht gehen eine verfassungskonforme amtsangemessene Alimentation wieder herzustellen.

Bastel

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #11630 am: 31.03.2024 08:55 »
Herr Lindner beabsichtigt noch in diesem Jahr die Erhöhung der Grundfreibeträge, da das Bürgergeld überproportional gestiegen ist, so gestern in den Nachrichten. Somit mehr Netto vom Brutto und Entspannung für alle 17 Rechtskreise, sodass eine amtsangemessenen Alimentation zumindest für Beamte (deren Dienststelle) welche in Bezirken der Wohngeldstufe 1 befindlich sind, haushaltärisch eher realisierbar erscheint.  Vielleicht war das auch der Punkt der Einsparungen i.H.v. 150 Mio. und begründet die Verzögerungsspiele.

Das macht vermutlich 20€/ im Monat aus. Damit gewinnt man keinen Blumentopf.

Andy24

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #11631 am: 31.03.2024 09:52 »
Jedwede Zulage ist in ihrer Höhe nur begrenzt zulässig. Die amtsangemessene Alimentation ist daher primär über die Höhe der Grundbezüge zu bemessen. Da inzwischen 68 von 112 Tabellenfelder als indiziell verletzt betrachtet werden können, wird es ohne eine signifikante Erhöhung der Grundbezüge nicht gehen eine verfassungskonforme amtsangemessene Alimentation wieder herzustellen.

Dann kann man als Bezugsgröße ja den Median der Wohngeldstufen in Deutschland nehmen, sozusagen mindestens Wohngeldstufe 3 oder 4(?). Dann blieben „nur“ noch die Hochpreisregionen in den Zuschlägen.


Die Mindestbesoldung für einen 4K-Haushalt festzulegen, ist schon ein gewisses Dilemma.
Kann der Normungsgeber nicht - natürlich begründet - davon abweichen und die höheren Wohnkosten für zwei/drei/vier Köpfe nicht über die Familienzuschläge alimentieren?



Frohe Ostern!

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #11632 am: 31.03.2024 10:01 »
Vielen Dank für deine Ausführungen, Swen. Denen folgend würde vieles (für mich) für einen (Orts-)zuschlag nach dem Dienstsitz sprechen. Zudem müsste zumindest für alle eine Grundbesoldung  in der Höhe gewährt werden, dass bei Wohngeldstufe 1 keine Zuschläge für eine vierköpfige Familie gewährt werden müssten. (Dilemma für den Dienstherren - dafür reichen die veranschlagten Haushaltsmittel nicht.)
Herr Lindner beabsichtigt noch in diesem Jahr die Erhöhung der Grundfreibeträge, da das Bürgergeld überproportional gestiegen ist, so gestern in den Nachrichten. Somit mehr Netto vom Brutto und Entspannung für alle 17 Rechtskreise, sodass eine amtsangemessenen Alimentation zumindest für Beamte (deren Dienststelle) welche in Bezirken der Wohngeldstufe 1 befindlich sind, haushaltärisch eher realisierbar erscheint.  Vielleicht war das auch der Punkt der Einsparungen i.H.v. 150 Mio. und begründet die Verzögerungsspiele.

Dem Besoldungsgesetzgeber steht es frei, einen neu einzuführenden (Orts-)Zuschlag an den Wohnsitz oder Dienstort des Beamten zu binden, Tom, allerdings sieht er sich so oder so gezwungen, sowohl die eingeführte Struktur als auch die konkrete Höhe eines solchen (Orts-)Zuschlag sachgerecht zu begründen. Insofern gilt auch für einen an den Dienstort gebundenden (Orts-)Zuschlag zunächst einmal prinzipiell dasselbe, wie ich es in den letzten Tagen dargelegt habe. Darauf weist der Zweite Senat den Besoldungsgesetzgeber in seiner aktuellen Entscheidung im zweiten Halbsatz des nachfolgenden Zitats aus der Rn. 61, die ich gestern zusammengefasst und interpretiert habe, explizit hin, indem er ausführt:

"Eine an Wohnsitz oder Dienstort anknüpfende Abstufung ist mit dem Alimentationsprinzip vereinbar, sofern sie sich vor Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigen lässt (vgl. BVerfGE 107, 218 <238, 243 ff.>; 117, 330 <350 f.>)."

Bindet der Besoldungsgesetzgeber nun den neu einzuführenden (Orts-)Zuschlag an den Dienstsitz, hat er dabei zu berücksichtigen, dass für den Beamten die Wohnkosten dennoch weiterhin an seinem Wohnort anfallen. Für einen kommunalen oder Landesbeamten, der seinen Wohn- und Dienstsitz in der Gemeinde Taufkirchen hat, ändert sich so verstanden erst einmal nichts. Denn die gestern dargestellten Problematiken blieben hier nun vollständig bestehen, wenn man die Struktur und Höhe der Ortsklassen so gestaltet, wie das das Land Bayern vollzogen hat. Eine sachliche Rechtfertigung vor Art. 3 Abs. 1 GG kann auch in diesem Fall also nicht geschehen; entsprechend blieben auch die weiteren evidenten Verletzungen des Leistungs- und Alimentationsprinzips bestehen. Der kommunale Verwaltungsbeamte oder der Polizist und Lehrer im Landesdienst mit Dienstsitz und Wohnort in Taufkirchen würde nun dieselbe Benachteil erfahren, wie er sie jetzt erfährt, da sich an seiner Situation nichts änderte.

Allerdings ändert sich für den Besoldungsgesetzgeber die Situation grundlegend, wenn er einen entsprechend neu einzuführenden (Orts-)Zuschlag an den Dienstsitz binden würde. Denn die Wohnkosten des Beamten fallen ausnahmslos an seinem Wohnort an, und zwar auch dann, wenn der Besoldungsgesetzgeber das Instrument der Mietenstufen zur Grundlage seiner Regelung machte und wenn der Dienst- und Wohnort dann in Gemeinden mit jeweils unterschiedlichen Mietenstufen zu finden wäre. Der Besoldungsgesetzgeber müsste nun, wenn er neu einzuführende (Orts-)Zuschläge in unterschiedlicher Höhe regeln wollte, begründen, wieso er sie an den Dienstort binden würde, wenn doch der jeweilige Beamte nicht automatisch an die dort gegebenen Wohnkosten gebunden wäre. Auch hier dürfte also recht schnell ein strukturelles Begründungsdefizit auftauchen, dürfte sich also die Frage nach der Gleichheitsgerechtigkeit solcher Regelungen stellen, weshalb das Bundesverfassungsgericht im gerade angeführten Zitat den Besoldungsgesetzgeber implizit genau an diese Problematik erinnert, ihn also gemahnt, hinsichtlich eines neu einzuführenden (Orts-)Zuschlags besondere Obacht auf den allgemeinen Gleichheitssatz zu legen.

Am Ende kann man das Problem drehen und wenden, wie man will: In der sozialen Wirklichkeit der Bundesrepublik Deutschland wird sich ein neu einzuführender (Orts-)Zuschlag nur einstufig und dann in eher geringer Höhe rechtfertigen lassen, da das auch das sachliche Ziel solcher Regelungen sein muss: Denn als Zuschlag ist er ein Instrument, das zum Grundgehalt hinzutritt, aus dem der Beamte die Lebenshaltungskosten für sich und seine bis zu vierköpfige Familie weitgehend zu bestreiten hat. Ein Zuschlag hat in erster Linie den Zweck, besondere sachliche Situationen zu differenzieren und kann deshalb nur in zweiter Linie zur Einsparung von Personalkosten genutzt werden - Bayern und NRW gehen aber genau den anderen Weg: Sie wollen im hohen Maße Personalkosten einsparen und führen deshalb ihre Regelungen entsprechend ein - nämlich ausschließlich als Instrument zur Kosteneinsparung -, was sich ob dieses sachfremden Zwecks nicht sachgerecht begründen lässt.

Sachlich zu rechtfertigen lässt sich also hinsichtlich eines neu einzuführenden (Orts-)Zuschlags m.E. nur ein in einheitlichlicher Höhe zu gewährender Betrag, der ggf. zweigeteilt werden kann, indem man irgendwo ab A 9 oder A 10 einen um wenige zweistellige Beträge höheren (Orts-)Zuschlag gewährte als darunter, wenn man das wollte, da sich das ggf. mit dem ihm zustehenden höheren Lebensstandard des höher besoldeten Beamten sachlich rechtfertigen ließe. Allerdings müsste sich auch eine solche Regelung sachlich rechtfertigen lassen, denn die Möglichkeit des unterschiedlichne Lebensstandards wäre ja auch hier weit überwiegend aus dem Grundgehalt heraus zu gewährleisten.

Ergo: Egal, wie der Besoldungsgesetzgeber die Sache betrachtet, am Ende dürfte ein neu einzuführender (Orts-)Zuschlag kaum mehr als eine monatliche Höhe im höheren zweistelligen Eurobetrag erhalten können, da sich alles andere sachlich kaum rechtfertigen ließe, ohne in die Verletzung des allgemeinen Gleichheitsprinzips zu münden. Eine m.E. sachlich saubere Lösung wäre dabei zum Beispiel - sofern sich das in der sozialen Wirklichkeit realitätsgerecht nachweisen ließe - eine Bindung eines solchen neu einzuführenden (Orts-)Zuschlags an den Dienstsitz, um so die Kosten, die dem Beamten durch seine tägliche Verpflegung anfallen, abzufedern, nämlich unter der Prämisse, dass sich diese Kosten in Gemeinden mit höheren Unterkunftskosten tendenziell auch in höheren Kosten für die Verpflegung niederschlügen. Die monatliche Höhe könnte dann bspw. mit 30,- oder 40,-, vielleicht auch mit über 50,- € bemessen wären (das wäre im Einzelnen genauer zu betrachten), wobei sich dann die Frage stellte, ob sich für den Gesetzgeber der Aufwand lohnte, wenn er also einen entsprechenden "Ortsverpflegungszuschlag" einführen wollte. Ähnlich sieht das dann auch hinsichtlich einer Bindung an den Wohnort aus. Hier wären insbesondere die generell eher geringen Unterschiede im Besoldungsniveau der unteren Besoldungsgruppen zu betrachten, wie sie sich in Bayern zurzeit so darstellen (vgl. https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/by?id=beamte-bayern-2023b&matrix=1):

A 3/2: 2.438,86 €
A 4/2: 2.504,64 € (+ 65,78 €)
A 5/2: 2.538,69 € (+ 34,05 €; + 99,83 €)
A 6/2: 2.606,56 € (+ 67,87; + 101,92 €; + 167,70 €)

Auch hier wären also die generell eher geringen Unterschiede zwischen den einzelnen Besoldungsgsgruppen im Allgemeinen und insbesondere noch einmal die zwischen A 4/2 und A 5/2 zu betrachten. Ergo hätte der Besoldungsgesetzgeber auch hier das Recht, die Besoldung mittels eines neu einzuführenden (Orts-)Zuschlags zu differenzieren - aber seine Möglichkeiten dazu werden unter Beachtung des allgemeinen Gleichheitssatzes insgesamt eher gering bleiben - das Abstandsgebot zwischen vergleichbaren Besoldungsgruppen bleibt insgesamt vom Gesetzgeber zu beachten -, sodass sich die Frage stellt, ob sich für den Besoldungsgesetzgeber am Ende Aufwand und Ertrag tatsächlich rentierten oder ob er nicht weiterhin besser ohne einen entsprechenden neuen (Orts-)Zuschlag führe, so wie er das nun schon mit Ausnahme von Bayern und NRW seit Jahrzehnten mit guten Gründen tut.

In der Ortsklasse I beträgt das monatliche Besoldungsniveau für einen verheirateten Beamten mit zwei Kindern in Bayern 3.101.66 €, Tom (vgl. https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/by?id=beamte-bayern&g=A_3&s=0&f=K2&mst=I&zulageid=10.1&z=100&zulage=&stkl=1&r=0&zkf=2). Die Unterschiede zum Besoldungsniveau des entsprechenden Beamten in der Ortsklasse II sind hier also nur marginal (s. meinen gestrigen Beitrag, der Betrag liegt hier bei 3.105,36 €.

PolareuD

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #11633 am: 31.03.2024 11:22 »
@ Andy24

Das wird nicht reichen, da wie Swen zuvor ausgeführt hat, die Ämterwertigkeit nicht nivelliert werden darf. Gerade in den untersten Besoldungsgruppen liegt der Abstand zwischen den Besoldungsgruppen nur im zweistelligen Bereich, so dass hier die Ämterwertigkeit sehr schnell nivelliert werden würde.

@ Swen

Im Endeffekt würde dies auch für die bisher gewährten Familienzuschläge gelten. Für eine 4-köpfige Familie liegt dieser beim Bund i.H.v. 463€ (171€+146€+146€) vor, so dass ein A3 Beamter in der Konstellation die Besoldung eines A8 Beamten erreichen könnte, je nach Erfahrungsstufe. Wie lässt sich dieser Sachverhalt rechtfertigen? Zumindest wurden die aktuellen Familienzuschläge in ihrer Höhe von BVerfG nicht beanstandet.

lotsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #11634 am: 31.03.2024 12:00 »
Ein dienstortbezogener Ortszuschlag wäre auch bei der Beamtenversorgung schwer zu begründen, z.B. nach dem letzten Dienstort vor dem Ausscheiden. Eine Differenzierung zwischen aktiven Beamten und Beamten im Ruhestand würde weiteren Aufwand bedeuten. Für die Beamtenversorgung gibt es ja noch keine genauere Konkretisierung der rechtmäßigen Alimentation durch das BVerfG. Ich könnte mir aber eine gewisse Loslösung von der aktiven Beamtenbesoldung, und eine nähere Anbindung an die gesetzliche Rente vorstellen.

SwenTanortsch

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Antw:Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (2 BvL 4/18)
« Antwort #11635 am: 31.03.2024 12:48 »
Meine Ausführungen hinsichtlich eines neu einzuführenden (Orts-)Zuschlags haben jeweils Beamte betrachtet, die sich hinsichtlich ihres Amts und Familienstands als wesentlich Gleiche darstellen, PolareuD. Für sie gilt es, die gestern oder vorgestern zitierte "neue" Formel des Bundesverfassungsgerichts zu beachten, also dass ein Gleichheitsgrundrecht "vor allem dann verletzt [ist], wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten" (zitiert nach Angelika Nußberger in: Michael Sachs (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, 8. Aufl. 2018, Art. 3, Rn. 13). In der "alten" Formel wurde das mit dem Satz gefasst, dass wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu betrachten ist.

Zwischen beiden Gruppen von Normadressaten besteht nun kein Unterschied von solcher Art und solchem Gewicht, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnte, da sich die tatsächlichen Wohnkosten in Taufkirchen nicht signifikant von denen in Ober- und Unterhachingen oder Ottobrunn unterscheiden, von denen Taufkirchen umgeben ist. Taufkirchen wird nun deshalb die Mietenstufe II zugeordnet, weil es dort eine hohe Zahl an Sozialwohnungen gibt, die in der Gemeinde also den Durchschnittswert der Unterkunftskosten verringern - allerdings ist der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht wie gezeigt zu entnehmen, dass solche Durchschnittswerte nicht realitätsgerecht sind und deshalb für eine solche Regelung von Ortsklassen, wie sie in Bayern verrechtlicht worden sind, nicht herangezogen werden dürfen. So verstanden liegt hier zwischen den Gruppen von Normadressaten - den jeweils wesensgleichen Beamten, die dasselbe Amt bekleiden und sich im selben Familienstand einer vierköpfigen Familie befinden - kein Unterschied von solcher Art und solchem Gewicht vor, dass er die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnte. Entsprechend zeigt sich der allgemeinen Gleichheitssatz hier als evident verletzt, das Gleichheitsgrundrecht der in Taufkirchen wohnenden Beamten wird von der Regelung missachtet, sodass sie vom Bundesverfassungsggericht vernichtet werden wird.

Anders sieht das aber hinsichtlich von Beamten aus, die sich nach der "alten" Formel des Bundesverfassungsgerichts nicht als wesentlich Gleiche darstellen, deren Familienstand und Kinderzahl also unterschiedlich ist. Nach der "neuen" Formel des Bundesverfassungsgerichts lässt sich hier also zunächst einmal feststellen, dass zwischen beiden Gruppen von Normunterworfenen (dem unverheirateten und kinderlosen Beamten und dem verheirateten Familienvater von zwei Kindern) signifikante Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen können - nach der "alten" Formel wird hier also wesentlich Ungleiches ungleich behandelt, was für sich betrachtet verfassungsrechtlich geboten ist oder es zumindest sein kann.

In einem weiteren Schritt wäre nun zu prüfen, ob die tatsächliche Ungleichbehandlung verfassungsrechtlich gerechtfertig werden kann, ob also bspw. die konkrete Höhe der von Dir genannten Familienzuschläge sachgerecht ist oder nicht. Dabei ist jener prozentuale Anteil der von Dir genannten Familienzuschläge, der sich seit langer Zeit im Bund als weitgehend unverändert zeigt (die Familienzuschläge werden i.d.R. prozentual entsprechend der Erhöhung der Grundgehaltssätze angehoben) bislang nicht vor dem Bundesverfassungsgericht beklagt worden. Da sich diese Höhe offensichtlich auch anhand der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sachlich rechtfertigen lässt, können wir davon ausgehen, dass diese Familienzuschläge von ihrer Struktur und Höhe verfassungskonform sind - anders sieht das allerdings offensichtlich mit vielen familienbezogenen Besoldungskomponenten in den Ländern aus, wie sie seit 2021 eingeführt worden sind und denen entweder eine neue Struktur zugrunde liegt oder die sich von ihrer Höhe sachlich nicht mehr rechtfertigen lassen, da sie - vereinfacht zusammengefasst - die jeweilige Ämterwertigkeit nicht hinreichend beachten (das wäre im Einzelnen jeweils genauer zu betrachten, was ich hier aber jetzt zum Glück nicht vollziehen muss).

Ergo: Die zurzeit im Bund gewährten Familienzuschläge sollten sich sowohl von ihrer Struktur als auch von ihrer Höhe sachlich rechtfertigen lassen können. Der unverheiratete Beamte in der Besoldungsgruppe A 8 hat andere Lasten zu tragen als der vierköpfige Familienvater in der Besoldungsgruppe A 3, der zugleich hinsichtlich seiner aus Art. 6 GG resultierenden Grundrechte ggf. anders zu betrachten wäre als ersterer. Die Familienzuschläge sollen also am Ende mit dazu führen, dass sich zwei dasselbe Amt bekleidende Beamten (also in diesem Fall ein kinderloser Beamter und ein verheirateter Familienvater, die beide nach A3 oder nach A 8 besoldet werden) am Ende "annähernd das gleiche leisten" können, wie das das Bundesverfassungsgericht in seiner ersten maßgeblichen Entscheidung über den alimentativen Mehrbedarf für diesen Mehrbedarf festgestellt hat, ohne dass ein Zweifel bestehen könnte, dass das auch für den Unterschied zwischen einem unverheirateten und kinderlosen Beamten und dem verheirateten Familienvater von zwei Kindern gilt (was dahingegen heute als überholt anzusehen sein muss, ist die Aufzählung des Ausgabenpools im zweiten Teil des Zitats, der sich in der sozialen Wirklichkeit des Jahres 2024 deutlich komplexer darstellt):

"Art. 33 Abs. 5 GG, der heute auch im Zusammenhang mit den in Art. 6 GG und im Sozialstaatsprinzip enthaltenen Wertentscheidungen der Verfassung zu sehen ist, verlangt aber, daß jedenfalls in der Lebenswirklichkeit die Beamten ohne Rücksicht auf die Größe ihrer Familie 'sich annähernd das gleiche leisten' können. Führt eine Regelung eindeutig evidentermaßen dazu, daß die Familie wegen der größeren Zahl der Kinder und der mit ihrem Unterhalt und ihrer Erziehung verbundenen Ausgaben - also regelmäßig für die Jahre, in denen sie zum Haushalt gehören - auf den Abschluß eines Bausparvertrags, auf die Anschaffung der üblichen Haushaltsmaschinen, auf die Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen, auf Urlaub verzichten und sich im Zuschnitt ihres Privatlebens, beispielsweise bei dem Kauf von Bekleidung, Einschränkungen auferlegen muß, also in diesem Sinne bescheidener leben muß als der - beamten- und besoldungsrechtlich gleich eingestufte - ledige Beamte, kinderlos verheiratete Beamte oder die Beamtenfamilie mit einem oder zwei Kindern, so ist der Grundsatz amtsangemessener Alimentierung für jene Familie mit größerer Kinderzahl verletzt." (Beschluss vom 30.03.1977 - 2 BvR 1039/75; https://openjur.de/u/173228.html - hier die Rn. 55)

PolareuD

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« Antwort #11636 am: 31.03.2024 13:21 »
Vielen Dank für die Klarstellungen, Swen.

Pendler1

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« Antwort #11637 am: 31.03.2024 14:09 »
Ich lese da fleißig mit (nochmals Dank an Swen, wie und wann schafft er das überhaupt?) und glaube mit meinem MINT-Wissen feststellen zu können:

Der Bund hat sich mit seiner Besoldungspolitik granatenmäßig verfahren, jeder Änderungsversucht führt nur noch weiter in die Irre. Ein lieber Arbeitskollege sagte zu solchen Situationen immer: "Null am Stau, nichts geht mehr"

Eigentlich bräuchte es einen Neuanfang?

Aber ob das dann bei gegebener Haushalts Lage besser wird?

Man weiß es nicht.

clarion

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« Antwort #11638 am: 31.03.2024 21:38 »
Ein kompletter Neustart  bei der Besoldungssystematik, wäre grundsätzlich möglich, wird in der Praxis sehr schwer umzusetzen sein.
1. Die neuen Systematik muss begründet werden, die Begründung  darf aber nicht primär fiskalisch sein.
2. Die Einführung einer neuen Systematik würde bei den Bestandsbeamten zu ziemlichen Verwerfungen führen.

Da wäre es aus Sicht der Steuerzahler sinnvoller, das Beamtentum auf Polizei, Justiz und Gerichte einzuschränken. Das wäre zunächst natürlich teurer, weil die Staatsausgaben für die aktiven Beamten deutlich niedriger als für Tarifbeschäftigte mit einem vergleichbaren Nettolohn sind. Langfristig würden die Pensionen aber weniger drücken.

lotsch

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« Antwort #11639 am: 01.04.2024 09:05 »
Ein kompletter Neustart  bei der Besoldungssystematik, wäre grundsätzlich möglich, wird in der Praxis sehr schwer umzusetzen sein.
1. Die neuen Systematik muss begründet werden, die Begründung  darf aber nicht primär fiskalisch sein.
2. Die Einführung einer neuen Systematik würde bei den Bestandsbeamten zu ziemlichen Verwerfungen führen.

Da wäre es aus Sicht der Steuerzahler sinnvoller, das Beamtentum auf Polizei, Justiz und Gerichte einzuschränken. Das wäre zunächst natürlich teurer, weil die Staatsausgaben für die aktiven Beamten deutlich niedriger als für Tarifbeschäftigte mit einem vergleichbaren Nettolohn sind. Langfristig würden die Pensionen aber weniger drücken.

Das Beamtentum auf Polizei und Justiz zu beschränken ist ohne Grundgestzänderung nicht möglich, siehe Art. 33 Abs. 4 GG.
Art. 33 Abs. 4 Grundgesetz (GG) legt fest, dass hoheitliche Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen sind, die in einem öffentliche-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen. Der sog. Funktionsvorbehalt regelt den Einsatzbereich von Beamtinnen und Beamten, denn nur diese stehen in dem benannten öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis. Hierunter fallen u.a. die Bereiche der Eingriffsverwaltung (Polizei, Justiz, Gewerbeaufsicht usw.) darunter. Aber auch die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse über die klassische Eingriffsverwaltung hinaus im Rahmen der Gewährung von Leistungen der Daseinsvorsorge (Leistungsverwaltung) unterfällt dem Funktionsvorbehalt.