Vielen Dank für deine Ausführungen, Swen. Denen folgend würde vieles (für mich) für einen (Orts-)zuschlag nach dem Dienstsitz sprechen. Zudem müsste zumindest für alle eine Grundbesoldung in der Höhe gewährt werden, dass bei Wohngeldstufe 1 keine Zuschläge für eine vierköpfige Familie gewährt werden müssten. (Dilemma für den Dienstherren - dafür reichen die veranschlagten Haushaltsmittel nicht.)
Herr Lindner beabsichtigt noch in diesem Jahr die Erhöhung der Grundfreibeträge, da das Bürgergeld überproportional gestiegen ist, so gestern in den Nachrichten. Somit mehr Netto vom Brutto und Entspannung für alle 17 Rechtskreise, sodass eine amtsangemessenen Alimentation zumindest für Beamte (deren Dienststelle) welche in Bezirken der Wohngeldstufe 1 befindlich sind, haushaltärisch eher realisierbar erscheint. Vielleicht war das auch der Punkt der Einsparungen i.H.v. 150 Mio. und begründet die Verzögerungsspiele.
Dem Besoldungsgesetzgeber steht es frei, einen neu einzuführenden (Orts-)Zuschlag an den Wohnsitz oder Dienstort des Beamten zu binden, Tom, allerdings sieht er sich so oder so gezwungen, sowohl die eingeführte Struktur als auch die konkrete Höhe eines solchen (Orts-)Zuschlag sachgerecht zu begründen. Insofern gilt auch für einen an den Dienstort gebundenden (Orts-)Zuschlag zunächst einmal
prinzipiell dasselbe, wie ich es in den letzten Tagen dargelegt habe. Darauf weist der Zweite Senat den Besoldungsgesetzgeber in seiner aktuellen Entscheidung im zweiten Halbsatz des nachfolgenden Zitats aus der Rn. 61, die ich gestern zusammengefasst und interpretiert habe, explizit hin, indem er ausführt:
"Eine an Wohnsitz oder Dienstort anknüpfende Abstufung ist mit dem Alimentationsprinzip vereinbar, sofern sie sich vor Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigen lässt (vgl. BVerfGE 107, 218 <238, 243 ff.>; 117, 330 <350 f.>)."
Bindet der Besoldungsgesetzgeber nun den neu einzuführenden (Orts-)Zuschlag an den Dienstsitz, hat er dabei zu berücksichtigen, dass für den Beamten die Wohnkosten dennoch weiterhin an seinem Wohnort anfallen. Für einen kommunalen oder Landesbeamten, der seinen Wohn- und Dienstsitz in der Gemeinde Taufkirchen hat, ändert sich so verstanden erst einmal nichts. Denn die gestern dargestellten Problematiken blieben hier nun vollständig bestehen, wenn man die Struktur und Höhe der Ortsklassen so gestaltet, wie das das Land Bayern vollzogen hat. Eine sachliche Rechtfertigung vor Art. 3 Abs. 1 GG kann auch in diesem Fall also nicht geschehen; entsprechend blieben auch die weiteren evidenten Verletzungen des Leistungs- und Alimentationsprinzips bestehen. Der kommunale Verwaltungsbeamte oder der Polizist und Lehrer im Landesdienst mit Dienstsitz und Wohnort in Taufkirchen würde nun dieselbe Benachteil erfahren, wie er sie jetzt erfährt, da sich an seiner Situation nichts änderte.
Allerdings ändert sich für den Besoldungsgesetzgeber die Situation grundlegend, wenn er einen entsprechend neu einzuführenden (Orts-)Zuschlag an den Dienstsitz binden würde. Denn die Wohnkosten des Beamten fallen ausnahmslos an seinem Wohnort an, und zwar auch dann, wenn der Besoldungsgesetzgeber das Instrument der Mietenstufen zur Grundlage seiner Regelung machte und wenn der Dienst- und Wohnort dann in Gemeinden mit jeweils unterschiedlichen Mietenstufen zu finden wäre. Der Besoldungsgesetzgeber müsste nun, wenn er neu einzuführende (Orts-)Zuschläge in unterschiedlicher Höhe regeln wollte, begründen, wieso er sie an den Dienstort binden würde, wenn doch der jeweilige Beamte nicht automatisch an die dort gegebenen Wohnkosten gebunden wäre. Auch hier dürfte also recht schnell ein strukturelles Begründungsdefizit auftauchen, dürfte sich also die Frage nach der Gleichheitsgerechtigkeit solcher Regelungen stellen, weshalb das Bundesverfassungsgericht im gerade angeführten Zitat den Besoldungsgesetzgeber implizit genau an diese Problematik erinnert, ihn also gemahnt, hinsichtlich eines neu einzuführenden (Orts-)Zuschlags besondere Obacht auf den allgemeinen Gleichheitssatz zu legen.
Am Ende kann man das Problem drehen und wenden, wie man will: In der sozialen Wirklichkeit der Bundesrepublik Deutschland wird sich ein neu einzuführender (Orts-)Zuschlag nur einstufig und dann in eher geringer Höhe rechtfertigen lassen, da das auch das sachliche Ziel solcher Regelungen sein muss: Denn als
Zuschlag ist er ein Instrument, das zum Grundgehalt hinzutritt, aus dem der Beamte die Lebenshaltungskosten für sich und seine bis zu vierköpfige Familie weitgehend zu bestreiten hat. Ein Zuschlag hat in erster Linie den Zweck, besondere sachliche Situationen zu differenzieren und kann deshalb nur in zweiter Linie zur Einsparung von Personalkosten genutzt werden - Bayern und NRW gehen aber genau den anderen Weg: Sie wollen im hohen Maße Personalkosten einsparen und führen deshalb ihre Regelungen entsprechend ein - nämlich ausschließlich als Instrument zur Kosteneinsparung -, was sich ob dieses sachfremden Zwecks nicht sachgerecht begründen lässt.
Sachlich zu rechtfertigen lässt sich also hinsichtlich eines neu einzuführenden (Orts-)Zuschlags m.E. nur ein in einheitlichlicher Höhe zu gewährender Betrag, der ggf. zweigeteilt werden kann, indem man irgendwo ab A 9 oder A 10 einen um wenige zweistellige Beträge höheren (Orts-)Zuschlag gewährte als darunter, wenn man das wollte, da sich das ggf. mit dem ihm zustehenden höheren Lebensstandard des höher besoldeten Beamten sachlich rechtfertigen ließe. Allerdings müsste sich auch eine solche Regelung sachlich rechtfertigen lassen, denn die Möglichkeit des unterschiedlichne Lebensstandards wäre ja auch hier weit überwiegend aus dem Grundgehalt heraus zu gewährleisten.
Ergo: Egal, wie der Besoldungsgesetzgeber die Sache betrachtet, am Ende dürfte ein neu einzuführender (Orts-)Zuschlag kaum mehr als eine monatliche Höhe im höheren zweistelligen Eurobetrag erhalten können, da sich alles andere sachlich kaum rechtfertigen ließe, ohne in die Verletzung des allgemeinen Gleichheitsprinzips zu münden. Eine m.E. sachlich saubere Lösung wäre dabei zum Beispiel - sofern sich das in der sozialen Wirklichkeit realitätsgerecht nachweisen ließe - eine Bindung eines solchen neu einzuführenden (Orts-)Zuschlags an den Dienstsitz, um so die Kosten, die dem Beamten durch seine tägliche Verpflegung anfallen, abzufedern, nämlich unter der Prämisse, dass sich diese Kosten in Gemeinden mit höheren Unterkunftskosten tendenziell auch in höheren Kosten für die Verpflegung niederschlügen. Die monatliche Höhe könnte dann bspw. mit 30,- oder 40,-, vielleicht auch mit über 50,- € bemessen wären (das wäre im Einzelnen genauer zu betrachten), wobei sich dann die Frage stellte, ob sich für den Gesetzgeber der Aufwand lohnte, wenn er also einen entsprechenden "Ortsverpflegungszuschlag" einführen wollte. Ähnlich sieht das dann auch hinsichtlich einer Bindung an den Wohnort aus. Hier wären insbesondere die generell eher geringen Unterschiede im Besoldungsniveau der unteren Besoldungsgruppen zu betrachten, wie sie sich in Bayern zurzeit so darstellen (vgl.
https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/by?id=beamte-bayern-2023b&matrix=1):
A 3/2: 2.438,86 €
A 4/2: 2.504,64 € (+ 65,78 €)
A 5/2: 2.538,69 € (+ 34,05 €; + 99,83 €)
A 6/2: 2.606,56 € (+ 67,87; + 101,92 €; + 167,70 €)
Auch hier wären also die generell eher geringen Unterschiede zwischen den einzelnen Besoldungsgsgruppen im Allgemeinen und insbesondere noch einmal die zwischen A 4/2 und A 5/2 zu betrachten. Ergo hätte der Besoldungsgesetzgeber auch hier das Recht, die Besoldung mittels eines neu einzuführenden (Orts-)Zuschlags zu differenzieren - aber seine Möglichkeiten dazu werden unter Beachtung des allgemeinen Gleichheitssatzes insgesamt eher gering bleiben - das Abstandsgebot zwischen vergleichbaren Besoldungsgruppen bleibt insgesamt vom Gesetzgeber zu beachten -, sodass sich die Frage stellt, ob sich für den Besoldungsgesetzgeber am Ende Aufwand und Ertrag tatsächlich rentierten oder ob er nicht weiterhin besser ohne einen entsprechenden neuen (Orts-)Zuschlag führe, so wie er das nun schon mit Ausnahme von Bayern und NRW seit Jahrzehnten mit guten Gründen tut.
In der Ortsklasse I beträgt das monatliche Besoldungsniveau für einen verheirateten Beamten mit zwei Kindern in Bayern 3.101.66 €, Tom (vgl.
https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/by?id=beamte-bayern&g=A_3&s=0&f=K2&mst=I&zulageid=10.1&z=100&zulage=&stkl=1&r=0&zkf=2). Die Unterschiede zum Besoldungsniveau des entsprechenden Beamten in der Ortsklasse II sind hier also nur marginal (s. meinen gestrigen Beitrag, der Betrag liegt hier bei 3.105,36 €.